Nachtgieger
hinter der Hecke hervor? Da drüben, weiter links.“
Vom Jagdfieber gepackt, versuchte Clemens, etwas in der jetzt undurchdringlichen Dunkelheit zu erkennen, beugte sich vor und spähte angestrengt nach seiner sicheren Beute.
Kurz darauf peitschte ein knallender Schuss durch die kühle Herbstnacht.
Die Kommissarin Mandy Bergmann und der Gerichtsmediziner Karl-Heinz von Hohenfels hatten am späten Samstagnachmittag nach ihrer Besprechung beschlossen, am Sonntag eine Wanderung in der Fränkischen Schweiz zu unternehmen.
Der gewaltsame Tod der drei jungen Frauen, zur Schau gestellt auf alten Wasserrädern, machte ihnen schwer zu schaffen. Und dann noch das grausame Verbrechen an Apollonia Vierheilig, bei dem sie noch keinen Schritt weitergekommen waren. Auch war immer noch völlig unklar, ob ein Zusammenhang zwischen diesen Taten bestand. Ihre Hoffnung lag nun auf der Veröffentlichung des Fotos, das Teile der Holzhütte zeigte.
Mandy hatte bereitwillig die Rufbereitschaft übernommen und ihr Handy in den Rucksack gepackt. Notfalls mussten sie ihren Ausflug eben abbrechen. Beide verspürten jedoch das dringende Bedürfnis nach Natur, Bewegung und frischer Luft. Dabei wurde der Kopf auch wieder freier.
Mandy hatte die trutzige Burg Rabenstein im Ailsbachtal beeindruckt, als sie vor einigen Tagen mit ihrem Kollegen Gerd Förster von Bayreuth zurückgefahren war. Deshalb hatte sie Carlo vorgeschlagen, dieses Burggemäuer zum Mittelpunkt ihrer Wanderung zu machen. Carlo war einverstanden und wollte mit Hilfe seiner Wanderführer eine Route festlegen. Außerdem übernahm er gerne die Vorbereitungen für das Picknick, das sie unterwegs an einem schönen Aussichtsplatz genießen wollten. Der Ausgangspunkt ihrer Wanderung sollte der kleine Ort Unterailsfeld sein.
Sie brachen am Sonntagmorgen nach einem leichten Frühstück zeitig auf, beide in bequemen, wadenlangen Hosen und festen Wanderstiefeln. Der Wanderweg, den der Gerichtsmediziner ausgewählt hatte, erstreckte sich über fünfzehn Kilometer mit einigen Auf- und Abstiegen, die es in sich hatten. Fünf Stunden würden sie wohl ohne Pausen brauchen.
Der Regen vom Samstag hatte sich verzogen und die Sonne stand am blauen, noch dunstigen Himmel. Aus Mandys braunen Stiefeln lugten feuerrote Socken, die bestens zu dem ebenfalls roten Kopftuch mit Edelweißblumen passten, das sie sich im Piratenstil um den Kopf geschlungen hatte. Karl-Heinz von Hohenfels setzte auf Partnerlook und trug zu seinem weißen Baumwollhemd mit Stehkragen hellrote, breite Hosenträger, verziert mit winzigen, niedlichen Ziegenböcken und Heidschnucken. Auf seinem Kopf saß keck eine braune Schiebermütze aus Cordsamt.
Kaum hatten sie ihren Wagen auf einem Wanderparkplatz abgestellt und die Übersichtstafel studiert, klingelte Mandys Mobiltelefon. Der Oberstaatsanwalt war am Apparat und informierte die Kommissarin, dass der verdächtige Kilian Krautwurst bereits gestern am späten Abend aus der Untersuchungshaft entlassen worden war. Ein mit ihm befreundeter Anwalt hätte interveniert, und aufgrund fehlender Beweise gab es keinerlei Spielraum, ihn noch länger festzuhalten. Krautwurst hatte jedoch die strikte Anweisung, sich zur Verfügung zu halten.
Mandy zuckte mit den Schultern – da war nichts zu machen. Dann marschierten sie stramm los und erfreuten sich an der würzigen, frischen Luft und der wohltuenden Stille auf ihrem weichen, schmalen Pfad, der sie erst steil bergauf und dann weiter in der Ebene nach Oberailsfeld führte. Der Weg verlief entlang des Tales, gesäumt von Felsennadeln, dann führte er sie durch einen dichtbelaubten, duftenden Wald bergan. Sie kamen durch eine romantische Durchgangshöhle, den Schlupflochfelsen, und überquerten den Ailsbach.
Der Pfad führte sie weiter steil empor zu einer zweiten beeindruckenden Durchgangshöhle, der sogenannten Schneiderkammer. Hinter der Neumühle ging es stramm den Hang hinauf zur Sophienhöhle – sicherlich eine der schönsten Tropfsteinhöhlen Frankens. Auf einem Trampelpfad zwischen zerklüfteten Felsen und Wacholdersträuchern erreichten sie das zauberhafte Kirchlein Klausstein, das sich genau oberhalb der Sophienhöhle befand. Dieses Gemäuer war im Mittelalter die Burgkapelle des stolzen Schlosses Ahorn, das schon lange nicht mehr existierte. Diesen wunderschönen Platz, von dem aus sie Rabenstein und das gewundene Tal genießen konnten, wählten sie für ihr Picknick aus.
Ein weiterer Grund für ihre Wahl war neben
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