Nachtgieger
aus dem Lautsprecher. „Es lag im speziellen Wäschekorb für die empfindliche Kleidung meiner Tochter, in der Jackentasche eines lichtblauen Seidenblazers.“ Sie habe gerade die Kleidung waschen und in Katis Schrank legen wollen. So, als würde die Tochter irgendwann wiederkommen.
„Sie wissen ja, dass sie sich in letzter Zeit teure, gute Kleidungsstücke angeschafft hat. Ich frage mich, woher sie das Geld dafür hatte. Hätte sie sich doch an mich gewandt, meine Kati hätte doch alles von mir und meinem Mann Alfons haben können.“ Sie brach in heftiges Schluchzen aus.
Der Kommissar versuchte, sie zu beruhigen: „Frau Simmerlein, hören Sie mir bitte zu. Meine Kollegin und ich kommen so schnell wie möglich bei Ihnen vorbei und holen das Gerät ab. Vielleicht finden wir wichtige Hinweise auf dem Handy, Spuren, die uns weiterhelfen. Die jungen Leute benutzen ihr Telefon doch andauernd für alles Mögliche. Da muss etwas zu finden sein. Wir nehmen es auseinander, das verspreche ich Ihnen, und wir werden jede noch so winzige Spur verfolgen. Sie haben eine äußerst wesentliche Entdeckung gemacht, ich danke Ihnen.“
Die Schluchzer verebbten nach und nach. Marga Simmerlein lauschte der beschwörenden Stimme des Kommissars und schöpfte ein wenig Hoffnung.
„Der Fund ist wichtig, Herr Förster, nicht wahr, das habe ich Alfons auch gesagt. Sie werden den Mörder meiner Tochter finden, das spüre ich ganz deutlich in meinem Herzen. Ich warte hier auf Sie.“ Dann legte sie auf.
Die Kommissare warfen sich einen Blick zu. Es war ihnen beiden klar, dass Spuren von Telefonaten oder SMS nicht unbedingt zum Täter führen mussten – leicht konnten sie im Sande verlaufen. Aber vielleicht war dem Verbrecher ein Fehler unterlaufen. Niemand konnte immer alles richtig machen, zumal, wenn der Druck auf ihn zunahm – sei es von außen durch die Ermittlungen, die immer engere Kreise zogen, oder aufgrund seiner extrem gestörten Persönlichkeitsstruktur.
Der Hilferuf ereilte Gregor König, als er am Samstagvormittag in seinem weiß-blau gestreiften Schlafanzug barfuß in seiner Küche stand und auf einem kleinen, ovalen Holztablett den Morgenkaffee für seine Ehefrau Klarissa anrichtete. Er hatte im ersten Stock Geräusche gehört, das war sein Zeichen.
Gregor füllte die französische, sonnengelbe Bol, die sie im letzten Bretagneurlaub erstanden hatten und die seine Frau heiß liebte, mit schwarzem Kaffee und stellte sie auf das Tablett, daneben ein Glas kalte Milch. Zum Schluss fügte er liebevoll ein in rote Glanzfolie gewickeltes Schokoladenherz hinzu. Fertig.
Als das Telefon klingelte, zögerte er – seine Klarissa konnte lauwarmen Kaffee nicht ausstehen. Schließlich siegte doch die Neugier.
Aus dem Apparat erklang konfus und völlig aufgelöst die verzweifelte Stimme von Theo Engeltal: „Ihr müsst mir helfen, Klarissa und du, ich flehe euch an, ich kann nicht mehr, ich schaffe das nicht.“
Gregor König hatte keine Ahnung, wovon der Pfarrer überhaupt sprach. „Beruhige dich, Theo, wir helfen dir natürlich“, versuchte er seinen aufgeregten Freund zu beschwichtigen. „Was schaffst du nicht mehr? Erkläre mir bitte, was wir für dich tun können.“
Klarissa rief nach ihrem Kaffee.
Aus Theo sprudelte es wie aus einem Quell heraus: „Die Betreuung meiner Kinder, den Haushalt, die Einkäufe, Regina wartet ungeduldig auf mich im Krankenhaus – Jakob, nimm Lea-Sophie das Nutellaglas weg!“, unterbrach er sich stöhnend. „Gerade habe ich meine kleine Tochter geduscht, jetzt sieht sie aus wie ein Schokoladennegerkuss. Morgen ist Sonntag, ich muss die Predigt vorbereiten.“ Eine kurze erschöpfte Pause folgte. Im Hintergrund war höllisches Kindergeschrei zu vernehmen.
„Mir wachsen diese ganzen Aufgaben über den Kopf, Gregor. Wie schafft Regina das bloß alles? Seit sie im Krankenhaus liegt, habe ich kaum ein Auge zubekommen. Die Kinder haben Sehnsucht nach ihrer Mutter und wachen nachts abwechselnd auf, nie gleichzeitig, immer nacheinander, verstehst du, Gregor? Paulina hat keine Zeit, um mich beim Babysitten zu unterstützen, keine Ahnung, was sie treibt, ich kann sie nicht erreichen. Soll ich morgen beim Gottesdienst meine drei Kinder auf die Kanzel setzen?“
Gregor König begriff auf der Stelle, dass in dieser Notsituation sofortiges, rasches Eingreifen unabdingbar war. Er traf eine Entscheidung. „Beruhige dich, Theo, in einer halben Stunde holen wir deine Kinder ab. Wir behalten sie
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