Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
begann, ihr sanft den Rücken zu streicheln.
Als Esther weitersprach, zeigten seine Bemühungen eine erste Wirkung, denn ihre Stimme wurde tief und rasch leiser.
»Ganz gleich, was ich für dich empfinde - ich liebe Hayden. Nicht auf eine stürmische Art, die einen in den Himmel oder in den Abgrund reißt, sondern auf eine ruhige, aber dennoch schöne Art. Er ist ein durch und durch guter Mann, und auch wenn ich ihn über meine Vergangenheit im Unwissen lasse, so hat er doch meinen Respekt verdient. Das wurde mir klar, als er heute im Restaurant auf seine umständliche Art die Bestellung
aufgegeben hat. Selbst bei solchen Nebensächlichkeiten ist er mit vollem Ernst dabei. Manchmal sind es diese Kleinigkeiten, die entscheiden - verrückt, nicht? Egal, wie stark mein Bedürfnis nach einem sicheren Hafen sein mag, ich schulde Hayden meine aufrichtige Zuneigung. Deshalb habe ich ihm gesagt, dass ich mir im Augenblick nicht sicher bin, ob die Liebe, die ich für ihn empfinde, für ein gemeinsames Leben ausreicht. Er sagte, seine Liebe reiche für uns beide, aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass eine solche Rechnung nicht aufgeht. Und selbst wenn zwei sich mit der gleichen Leidenschaft lieben, garantiert das noch lange nicht, dass sie füreinander gemacht worden sind.«
Während Esthers Atemzüge immer ruhiger wurden, bis sie schließlich einschlief, dachte Adam noch lange über ihren letzten Satz nach. Er wusste, dass sie Recht hatte, trotzdem wollte er es sich nicht mit dem Herzen eingestehen. In seinem Innersten konnte er spüren, wie der Dämon sich zu regen begann, die Starre langsam abstreifte, die ihn beim Anblick von Lakas’ zer- störtem Körper befallen hatte. Nicht mehr lange, dann würde er Esther verlassen müssen, weil der Dämon ihm wieder seinen Willen aufzwang. Nur noch wenige Augenblicke geliehenen Glücks.
Adam schloss die Augen und genoss nur noch Esthers Atem, den Duft ihrer Apfelblütenhaut und den wundervollen Druck, den ihr Gewicht ausübte. Sehnsüchtig wünschte er sich, einschlafen zu können, nicht mehr zu sein, als ein Mann, der bei seiner Frau lag. Aber das war er nicht. Er trug eine tödliche Fracht in sich, die anfing, an den Rändern seiner Existenz zu kratzen.
Blut , tönte der Singsang des Dämons aus einem tiefen Abgrund zu ihm herauf. Zuerst leise und fern, mehr eine Ahnung als ein wirkliches Geräusch. Blut, Blut , tönte es rasch lauter, während Adam reglos dalag, nicht bereit, seine Hoffnung auf
Schlaf aufzugeben. In weiter Ferne erahnte er die süße Schwärze, die ihn seit über siebzig Jahren nicht mehr überkommen hatte.
Dann erhob sich der Dämon und wischte sie mit einem einzigen wütenden Schrei hinfort.
23
Kriegsfehde
Die Dämmerung wich nur widerwillig. Adam beobachtete vom Fenster aus jede einzelne Handbreit, die sie an den anbrechenden Morgen verlorengeben musste, bis das Sonnenlicht das Wasser des Swimmingpools zum Glitzern brachte.
Nachdem der Dämon mit brachialer Gewalt zurückgekehrt war, hatte er seinen Platz an Esthers Seite aufgeben müssen. Behutsam hatte er die Schlafende auf die Kissen gelegt und war dann aufgestanden, obwohl jede einzelne Bewegung ihn mehr Kraft kostete als das Ausheben von Lakas’ Grab.Aber es war ihm gelungen, und das allein verlieh ihm das Vertrauen, am Fenster auszuharren, anstatt das Apartment zu verlassen, wie der Dämon nicht müde wurde, ihn aufzufordern.
Geh und such ein Opfer! Ansonsten nehme ich sie. Ich will Blut, ich brauche Blut! Jetzt!
Lange Zeit brüllte der Dämon auf ihn ein, während er still dastand und zuließ, dass das Bild des Gartens sich auf seiner Netzhaut einbrannte. Feiner Nebel stieg vom Rasen auf, nahm dem Sonnenlicht seine Schärfe, ließ alles angenehm verschwommen wirken. Esther zu betrachten, wagte er in diesem Zustand nicht.
In seinem Inneren tobte der Krieg, äußerlich war er nicht mehr als eine Statue. Und er war fest entschlossen, erst wieder zum Leben zu erwachen, wenn der Dämon schwieg. Dabei glaubte er immer wieder aufs Neue zu versagen, dem Druck
nicht länger standhalten zu können. Zu lange war er den Weg dieses Tyrannen gegangen, als dass er nun über eine Abwehr verfügt hätte. Jeden Moment konnte es dem Dämon gelingen, sich so sehr in seinem Inneren auszubreiten, bis für ihn kein Platz mehr vorhanden war. Der Dämon würde ihn verdrängen und die Macht an sich reißen.Aber der Gedanke daran, was der Dämon als Erstes tun würde - nämlich Esther töten -, verlieh Adam die
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