Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
unser Leben riskieren. Den Hügel hinauf war ein wunderschönes Hotel zu sehen.«
»Denkst du, wir haben die Stadt schon weit genug hinter uns gelassen?«
Zwischen Esthers Brauen trat die steile Falte auf, und sie kauerte sich in den Sitz, als könnte der ihr Schutz bieten. »Für meinen Teil würde ich behaupten, dass ich Los Angeles in der Sekunde verlassen habe, als ich mein Apartment hinter mir abschloss, ohne vorher Anders zu benachrichtigen.Wie sieht’s bei dir aus?«
»Könnte nicht weiter weg sein.«
Da die Falte trotzdem nicht verschwand, nahm Adam seinen ganzen Mut zusammen und griff nach Esthers Hand. Als sie seine Berührung erwiderte, wurde ihm mehr als deutlich, wie verrückt ihre Reise war. Er erkannte sich selbst nicht wieder, und auch die Entscheidungen, die Esther traf, hatten mit Anders’ unnahbarer Dienerin am Strand vor einigen Tagen nichts gemeinsam. Immer wieder meldete sich sein Verstand mit dem Hinweis darauf, wie gefährlich und widersprüchlich das Ganze war, aber es war ihm einfach unmöglich, sich damit jetzt auseinanderzusetzen. Nichts war von so großer Bedeutung, dass es wichtiger als eine Neckerei mit Esther war. Selbst die Macht des Dämons war eindeutig verblasst.Adam wollte diese Auszeit, auch wenn er ahnte, dass sie nicht von Dauer sein würde.
Esther ging offensichtlich Ähnliches durch den Kopf. »Denkst du, wir werden für unseren Leichtsinn zahlen?«
Die Antwort blieb Adam beinahe im Halse stecken. »Ja, aber genau aus diesem Grund sollten wir keine Zeit damit verschwenden, jetzt darüber nachzudenken. Und vielleicht haben wir ja Glück und bleiben verschont.«
»Wie sieht denn dein Kontostand beim Schicksal aus? Hast du einiges gut?«
Adam zog eine Grimasse.
»Das habe ich mir fast schon gedacht.« Das Lachen, das Esther ausstieß, klang verdächtig nach Galgenhumor. »Bei mir sieht es leider auch nicht besser aus. Ich habe eher Schulden, nachdem mein Neustart in Los Angeles geglückt ist.«
Obwohl er wenig Hoffnung hegte, fragte Adam: »Was war denn vorher?«
Esthers Mund umspielte ein hartes Lächeln. »Frag nicht nach meinen Sünden, dann frage ich auch nicht nach deinen.«
»Die Fassade der geheimnisumwehten Lady steht dir wirklich gut, aber ich finde trotzdem …«
»Können wir diese Unterhaltung ein anderes Mal führen?«
Der gehetzte Ausdruck in Esthers Augen ließ Adam einlenken, und er nickte, wenn auch nur widerwillig. Esther atmete hörbar aus, als er den Rückwärtsgang einlegte und schon bald die Auffahrt zu einem Hotel auftauchte, das seine besten Jahre eindeutig hinter sich hatte.
Es war ihm schon zuvor aufgefallen, dass Esther und er den gleichen Hang zu Dingen hatten, denen ihre Vergangenheit anzusehen war. Ihr begeisterter Aufschrei verriet, dass sie nicht die abblätternde, ehemals cremefarbene Fassade und den verwilderten Garten sah, sondern die Geschichten, die das alte Gebäude erzählte. Der stockige Geruch der Zimmer würde sie nicht stören, weil sie viel zu sehr damit beschäftigt sein würde, sich auszumalen, wer schon alles die Aussicht bewundert und zur späten Stunde ausgelassen die Minibar geplündert hatte. Unwillkürlich verspürte Adam den Drang, auf Esther einzureden, ihr alles zu erzählen und sie gleichzeitig zum Reden zu verführen, damit er genau wusste, was ihr durch den Kopf ging. Letztendlich brachte er jedoch keinen Laut über die Lippen.
»Gefällt dir das Hotel etwa nicht?«, riss Esther ihn aus seiner Erstarrung.
»Wie kommst du darauf? Ich finde es wunderbar.«
»So ein Gesicht machst du also, wenn du etwas wunderbar findest - als wärst du kurz vor einer Explosion eingefroren. Das sollte ich mir merken.« Adam hob die Augenbrauen, doch sie beachtete ihn schon gar nicht mehr. »Wenn wir uns beeilen, bekommen wir vielleicht nicht nur ein Zimmer, sondern auch noch etwas zum Lunch. Im Gegensatz zu dir lebe ich nämlich nicht von Liebe und Luft allein.«
»Liebe und Blut«, korrigierte Adam sie.
»Hör mal, mein Guter. Da ich dich nicht mit den schwarzen Flecken auf meiner Seele belaste, solltest du es genauso halten«, erwiderte Esther halb im Scherz, halb im Ernst.
Adam parkte den Wagen nahe dem Eingang, der von einer Veranda umgeben war, und sah zu, dass er an der Beifahrertür war, ehe Esther allein aussteigen konnte. Diese Aufgabe gehörte ihm, auch wenn er dafür nicht mit einem Lächeln entlohnt wurde. Stattdessen trat sie ihm beim Aussteigen absichtlich auf den Fuß.
»So sieht also der Auftakt zum
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