Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
länger ertrugen, sorgte die künstliche Lichterflut dafür, dass die Sterne bestenfalls blasse Punkte am Firmament waren.Anders als in seiner Jugend auf einer der Obstplantagen, da hatte man nachts die Hand nicht vor Augen sehen können.
In Gedanken versunken, nahm er das Mundstück seiner Pfeife zwischen die Zähne und riss ein Streichholz an. Schwefelgeruch stieg ihm in die Nase. Und unwillkürlich fragte er sich, warum man diesen Geruch eigentlich immer mit dem Teufel in Verbindung brachte. Dabei hatten die Teufel, die er kennengelernt hatte, ganz anders gerochen: nach Muskat. Ganz fein, kaum wahrnehmbar. Ehe er sich’s versah, zog er die Nachtluft ein in der Hoffnung, nichts anderes als nassen Rasen und den Kirschholzduft seines Tabaks aufzuschnappen. Stattdessen
war da jener würzige, fast scharfe Muskatduft, bei dem ihm jedes Mal ein Schauer über den Rücken lief.
Wie oft hatte er abends in den letzten Monaten auf dieser Veranda gestanden und in die Dunkelheit gestarrt, während ihm seine Sinne vorgaukelten, dass sich dort draußen etwas verbarg, das nach Muskat roch? Nie hatte sich etwas geregt, es hatte keinerlei Anzeichen gegeben, dass jemand sich hinter den alten Bäumen, deretwegen sie dieses Grundstück ausgewählt hatten, verbarg.
Nachdenklich stieß er den Rauch aus, der wie ein grauer Schleier vom Wind mitgerissen wurde. Dann bemerkte er eine Gestalt aus den Augenwinkeln. Sie stand tatsächlich zwischen den mächtigen Ahornstämmen, die Hände in den Hosentaschen, in aller Ruhe abwartend.
Obwohl sein Instinkt ihm riet, augenblicklich ins Haus zurückzukehren und nach seiner Waffe zu suchen, klopfte er den Pfeifenkopf im Aschenbecher aus, der auf dem Verandageländer für seine abendliche Stunde bereitstand. Dann schlenderte er zu den Bäumen hinüber, wohl wissend, dass er der dort wartenden Gestalt weder etwas vormachen noch ihr im Ernstfall etwas entgegensetzen konnte.
»Guten Abend, Hayden«, sagte Adam, dessen außergewöhnliche Gesichtszüge selbst im Halbdunkel zu erkennen waren.
Es wäre leicht für Hayden gewesen, sich einzureden, dass Esther vor allem der Schönheit dieses Mannes verfallen gewesen war, aber er zog es vor, sich nicht selbst zu belügen. »Eine herrliche Nacht, nicht wahr? Großartig für einen Spaziergang.«
Adam nickte, warf jedoch einen sehnsüchtigen Blick auf das Haus, in dessen oberer Etage ein Fenster erleuchtet war.
Während sie über den breiten Gehweg wanderten, schossen Hayden tausend Fragen durch den Kopf, doch keine fand ihren Weg über seine Lippen. Alle kreisten sie darum, was dieser Mann eigentlich wollte, der schweigend neben ihm herging.
»Ich bin heute Nacht nicht hergekommen, um dich zu beunruhigen«, unterbrach Adam die Stille.
»Es beunruhigt mich aber zu wissen, dass du jede Nacht draußen vor unserem Haus stehst. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Esther einen Verdacht hegt und anfängt, selbst nach dir Ausschau zu halten. Oder ist es vielleicht genau das, was du mit deinen Besuchen bezwecken willst?«
Adam schüttelte den Kopf. Dabei bemerkte Hayden den gequälten Zug in seinem Gesicht. »Du irrst dich. Ich bin heute das erste und letzte Mal hier, und zwar nicht, um Esther unter die Augen zu treten, sondern um meine damalige Entscheidung noch einmal zu bekräftigen. Damit dir klar ist, dass ich nie wieder vor sie treten werde. Du brauchst also keine Wache im Garten zu schieben oder dir Sorgen zu machen, dass mir plötzlich der Gedanke kommen könnte, sie zurückzuerobern.«
»Glaubst du denn, nach alldem, was auf der Lichtung geschehen ist, hättest du überhaupt noch eine Chance bei ihr? Du hast dich abgewandt. Du hast dich gegen eine gemeinsame Zukunft mir ihr entschieden. Esther ist eine stolze Frau.«
»Das ist sie«, erwiderte Adam ruhig. »Und vor allem hat sie ein friedliches Leben verdient, ein Leben, das du ihr - im Gegensatz zu mir - bieten kannst.An dieser Überzeugung hat sich bei mir nichts geändert und wird es auch nicht mehr. Ich will, dass Esther zufrieden ist, dass eine gute Zukunft vor ihr liegt, nachdem die Vergangenheit voller Fallen und Verletzungen gewesen ist.« Adam verstummte, als würde ihm schmerzlich bewusst werden, dass auch er ein Teil dieser Vergangenheit war. »Ich wollte aus zwei Gründen mit dir sprechen, bevor ich morgen früh Kalifornien verlasse. Zum einen wollte ich mich vergewissern, ob ihr Anders’ Herz auch wirklich an einem sicheren Ort verborgen habt.«
Hayden wog kurz ab, wie viel er Adam
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