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Nachtglut: Roman (German Edition)

Nachtglut: Roman (German Edition)

Titel: Nachtglut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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und Zeit.
    Eines Morgens hatte Jack sie tot in ihrem Bett gefunden. Er hatte die Polizei gerufen, die ihrerseits den Coroner benachrichtigte. Seine Mutter war in die Pathologie gebracht worden. Bei der routinemäßigen Obduktion zeigte sich, daß eine krankhaft erweiterte Arterie in ihrem Gehirn geplatzt war. Sie war sofort tot gewesen und wurde einige Tage darauf ohne Brimborium beerdigt.
    Eine Woche später war sein Vater eingetroffen.
    Jack hatte nicht gewußt, wo er ihn erreichen konnte, um ihn vom Tod seiner Frau in Kenntnis zu setzen. An der letzten Adresse, die Jacks Mutter von ihm hatte, war er nicht mehr gewesen. Rein zufällig erschien er zu einem seiner sporadischen Besuche.
    Jacks Vater war nur fünfzehn Jahre älter als sein Sohn, zehn Jahre jünger als seine Frau und weit attraktiver als sie, wie er ihr häufig mit grausamem Vergnügen zu sagen pflegte. Jack erklärte er, daß er ein »Ausrutscher« sei. »Ist mir an einem Samstagabend passiert, als ich sturzbesoffen war und sie durch die Whiskybrille gesehen hab.« Als Jacks Mutter
ihm ihre Schwangerschaft gestand, hatte er sie geheiratet  – aber zu mehr hatte er sich nicht verpflichtet gefühlt.
    Immer wenn er sich einmal zu einem Besuch bei ihnen herabließ, hoffte Jack mit kindlichem Optimismus, er würde bleiben. Er machte Ausflüge mit Jack. Er lachte. Er brachte Jacks Mutter zum Lächeln. Jack konnte sie nachts kichern hören und wußte, sie war glücklich, seinen Vater bei sich im Bett zu haben.
    Aber die Freude war stets von kurzer Dauer. Schon nach ein paar Tagen pflegten die unvermeidlichen Streitereien anzufangen. Sein Vater gab mit den Frauen an, mit denen er querbeet schlief. Es war keine leere Schaumschlägerei. Er hatte auch unter den Frauen im Ort Freundinnen. Sie riefen bei Jacks Mutter an und fragten nach ihm, wenn er wieder weg war.
    Manchmal betrank er sich und brüllte herum. Ein paarmal benachrichtigten erboste Nachbarn die Polizei, die dann vorbeikam, um ihn zur Ruhe zu ermahnen. Jack wünschte, er hätte einen Vater wie andere Kinder. Er vermißte seinen Dad, wenn er weg war. Aber das Leben lief friedlicher und überschaubarer ohne ihn ab.
    Obwohl seine Mutter jung und unglücklich starb, war Jack der einzige, der um sie weinte. Wenn sein Vater ihr Grab je besuchte, so wußte Jack nichts davon. Als er nach Hause kam und Jack verwaist vorfand, erklärte er seinem Sohn, der sich alle Mühe gab, tapfer zu sein und nicht zu weinen, er habe noch Geschäfte – und machte sich aus dem Staub. »Aber danach komm ich für immer zurück, das versprech ich dir.«
    Sechs Monate lang ließ er nichts von sich hören. Das Jugendamt hatte Jack inzwischen bei einer Pflegefamilie untergebracht.
    Als seine Mutter gestorben war, hatte ihnen niemand Plätzchen und Kokosnußtörtchen gebacken wie die, die auf der Kredenz der Corbetts aufgetischt waren. Niemand hatte
Jack die Hand gereicht, um ihm zu helfen. Nur der Hauswirt hatte seine Hand aufgehalten und die Miete verlangt, die Jack nicht bezahlen konnte – weil sein Vater alles Geld im Haus mitgenommen hatte, bevor er wieder abzog … –
    »Mir schmeckt am besten der Wackelpudding mit den Orangen und den Ananas drin«, sagte David. »Probier mal, Jack.«
    Jack probierte den gelierten Obstsalat und fand ihn gut.
    Es war überhaupt alles gut – das selbstgemachte Essen, die heimelige Atmosphäre, diese ganze verdammte heile Welt. Nur er paßte nicht ins Bild. Und wenn er sich noch so sehr in Schale warf – er gehörte nicht hierher, und es war albern, auch nur eine Stunde lang so zu tun, als wäre es anders.
    Dies war nicht sein Haus! Dies war nicht sein Sohn! Er würde ihn nicht zu Bett bringen und mit ihm zusammen das Abendgebet sprechen, um dann mit dessen Mutter schlafen zu gehen. Denn sie war nicht seine Frau und würde es niemals sein. Das stand absolut fest.
    Und trotzdem mußte er sie immer ansehen. Sein Blick zog den ihren an wie ein Magnet, bis David, der mehrmals auf den Tisch klopfen mußte, um sie auf sich aufmerksam zu machen, am Ende ungeduldig wurde und quengelnd sagte: »Mama, ich rede mit dir.«
    Der Nachmittagsschlaf hatte ihr gutgetan. Die vorher müden, verweinten Augen zeigten wieder ihren blauen Glanz, ins Gesicht war die Farbe zurückgekehrt. Statt des strengen Trauerkleids trug sie Jeans und einen dünnen Rippenpulli ohne Ärmel, der eng saß, und das Haar fiel ihr offen auf die Schultern.
    »Darf ich aufstehen, Jack?«
    »Hm?« Zerstreut wandte er sich David zu,

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