Nachtglut: Roman (German Edition)
konnte ihm gestohlen bleiben. Er war schon weg. Nichts würde ihn jetzt mehr aufhalten.
Allerdings mußte noch eine Kleinigkeit geklärt, ein Steinchen, das unter Umständen zum dicken Stolperstein werden konnte, beseitigt werden.
Emory kniff hinter seiner Ray Ban die Augen zusammen. Noch wußte er nicht recht, wie er die Sache anpacken sollte. Konnte verdammt heikel werden. Da würde man Fingerspitzengefühl…
Er war so heftig mit seinen Überlegungen beschäftigt, daß er Anna beinahe übersehen hätte, als sie ihm, von einer großen grauhaarigen Frau und dem Jungen flankiert, entgegenkam. Rasch trat er dem Trio in den Weg.
»Mrs. Corbett.« Er ergriff Annas Hand, tätschelte und streichelte sie. »Es tut mir so leid. Wirklich, unendlich leid!«
In übertrieben deutlicher Aussprache, damit ihr ja keines seiner mitfühlenden Worte entginge, drückte er ihr seinen Schock und seine Bekümmerung über den plötzlichen Tod ihres Schwiegervaters aus. »Worte sind in einer solchen Situation ja leider immer völlig unzulänglich.«
Sie nickte kühl und versuchte, ihm ihre Hand zu entziehen. Er hielt sie fest, drückte ihr eine Geschäftskarte hinein und schloß ihre Finger darum. »Sie müssen mich unbedingt anrufen, sobald es Ihnen paßt. Sie stehen jetzt vor schwierigen finanziellen Entscheidungen, die nicht aufgeschoben werden sollten. Da werden Sie gewiß Beratung brauchen.«
Ärgerlich entriß sie ihm ihre Hand und machte irgendwelche Zeichen, die die große Grauhaarige ihm übersetzte. »Anna dankt Ihnen. Sie weiß Ihr Angebot zu schätzen, aber Delray hat seine finanziellen Angelegenheiten in bester Ordnung hinterlassen.«
Emorys Lächeln wurde unsicher. »Ja, Ihr Schwiegervater war ein gewissenhafter Mann. Deshalb habe ich ihn immer so sehr bewundert.«
Sie bedachte ihn mit einem weiteren hochmütigen Nicken.
Der Bengel von Sohn zerrte an ihrer Hand. »Ich hab Hunger, Mama. Können wir jetzt gehen?«
Emory hätte den kleinen Teufel erwürgen mögen, aber er sah lächelnd zu ihm hinunter. »Immer mit der Ruhe, mein Junge. Deine Mutter und ich unterhalten uns.«
Nein, falsch! Anna verabschiedete sich mit kurzer Gebärde und wandte sich der schwarzen Limousine zu, wo ein Chauffeur bereits den Schlag geöffnet hatte.
Connaughts finsteres Gesicht stieg vor Emory auf, so real wie die flirrenden Hitzewellen, die ihm vom Asphalt unter seinen Füßen entgegenkamen. Er begann in seinem dunklen Anzug zu schwitzen.
»Äh – Mrs. Corbett«, sagte er, um sie aufzuhalten. Als sie nicht reagierte und er begriff, daß sie seine Mundbewegungen
ja von hinten nicht sehen konnte, packte er sie beim Arm.
Augenblicklich schüttelte sie ihn ab.
»Verzeihen Sie, wenn ich Sie noch einen Moment aufhalte«, säuselte er. »Ich weiß, es ist heiß hier draußen, und Ihr Kleiner hat Hunger, und es ist ein schwerer Tag für Sie, aber – na ja, manche Dinge haben einfach Vorrang, sogar… äh …« Er wies mit dem Kopf zurück in Richtung des Grabs.
Annas Miene verriet äußerste Ungeduld.
»Ich weiß, wer Ihre Kühe vergiftet hat«, platzte Emory heraus.
31
J ack war dabei, sich auf dem kleinen Butankocher im Wohnwagen eine Dose Tamales heiß zu machen, als David bei ihm klopfte. »Mama hat gesagt, wir haben genug Essen da, um ein ganzes Regiment zu füttern, und es wird schlecht, wenn wir nichts damit anfangen, und ob du uns helfen willst. Du kommst doch, oder, Jack?«
Jack nahm die Tamales vom Kocher. »Gern, vielen Dank. Sag deiner Mama, ich bin in ein paar Minuten da.«
»Kommst du nicht gleich mit?«
»Fünf Minuten, David.«
Jack bürstete sich die Haare und wechselte das Hemd. Er tupfte sich sogar ein paar Spritzer Rasierwasser ins Gesicht. Das war albern, aber trotzdem – er konnte sich nicht erinnern, wann ihn das letztemal jemand zum Essen eingeladen hatte. – Bei Annas Rückkehr von der Beerdigung stand Jack auf der Leiter und entfernte die alten Vogelnester unter dem Dachvorsprung des Hauses. David, der sich beneidenswert schnell von seinem Kummer über den Tod seines Großvaters erholt zu haben schien, sprang aus dem Wagen, sobald er hielt.
»Jack, Jack, was machst du da? Darf ich dir helfen? Wir waren bei McDonald’s.«
Jack kam die Leiter herunter. »War’s gut?«
»Ja. Darf ich auch mal raufsteigen?«
»Aber nur ein paar Sprossen. Nicht zu hoch. Und sei vorsichtig.«
Anna zeigte sich nicht so munter wie ihr Sohn. Sie stieg langsam aus, jede ihrer Bewegungen so schwerfällig, als
trüge sie
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