Nachtglut: Roman (German Edition)
Wagen in die Nähe kommt, dann leg ihn um.«
»Okay, Carl.«
»Ich mein’s ernst, Myron. Das ist wichtig. Sag nichts, tu nichts, leg einfach jeden um, der sich ranschleicht.«
»Okay, Carl. Kann ich eine Cola haben?«
»Klar.«
Carl hatte eine ganze Sechserpackung Cola neben ihn auf den Sitz gestellt.
»Wo gehst du hin, Carl?«
»Hab ich dir doch gesagt, Myron. Ich hab was zu erledigen.«
»Kann ich mitkommen?«
»Verdammt noch mal!«
Und er hatte geschnaubt, wie er das immer tat, wenn er kurz vor einem Wutanfall war. Dann hatte er was davon gesagt, daß Myron aussähe wie ein wandelndes Horrorkabinett – statt ihn mitzunehmen, könnte er sich gleich eine Uzi unter den Arm klemmen.
Myron hatte nicht verstanden, was das heißen sollte; aber das hatte Carl gesagt, und deshalb mußte er im Auto bleiben und das Geld bewachen und jeden umlegen, der kam.
Aber Carl war jetzt schon so lange weg. Myron kriegte langsam Muffensausen. Mit klebrigem Zeigefinger spielte er am Abzug der Schrotflinte, die auf seinen Knien lag. Er wimmerte vor Furcht, allein gelassen zu werden. Was würde aus ihm, wenn Carl nicht wiederkam? Er wußte nicht, wie er allein die mexikanische Grenze erreichen sollte.
Nun fixierte er die Stelle am Horizont, wo er Carl zuletzt gesehen hatte, und wünschte aus tiefstem Herzen, er würde wiedererscheinen. Er biß auf seine Unterlippe und nagte an der Innenwand seiner Wange. Noch einmal wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Er drehte den Kopf und schaute durch das Rückfenster.
Was er sah, erschreckte ihn zutiefst.
Es war ein Auto, das abbremste und neben ihm anhielt.
45
W ie sich doch innerhalb von vierundzwanzig Stunden alles ändern konnte, dachte Emory Lomax.
Gestern hatte er die Minuten bis Feierabend gezählt, einzig darauf bedacht, sich zu verkriechen und die Wunden zu lecken, die ihm der Mann namens Jack beigebracht hatte. Mit eingekniffenem Schwanz war er nach Hause geschlichen, wo er mehrere Aspirin gegen die Kopfschmerzen genommen hatte, die ihn seit dem Mittagessen quälten. Dummerweise hatte er sie später mit mehreren Gläsern Bourbon wieder aktiviert. Er vertrug nicht viel Alkohol; der Bourbon hatte ihn besoffen gemacht.
Sonst jedoch hatte er von dem Sturm kaum etwas mitbekommen. Er merkte es nicht, als die tobenden Winde seine Fensterläden abrissen und seine Mülltonnen die Straße hinuntertrieben. Hagel und Regen, die seine Garage bis zu den Achsen des Jaguars überschwemmten, verpennte er. Erst am Morgen erfuhr er von dem Tornado, als sein Radiowecker ihn mit den Nachrichten aus dem Schlaf riß.
Während der Sturm seine Heimatgemeinde verwüstete, hatte er sich bis zur Besinnungslosigkeit betrunken, sich bald in Selbstmitleid gesuhlt, bald mit der Angst gekämpft, daß seine betrügerischen Machenschaften ihn in Teufels Küche bringen würden – und die ganze Zeit gekocht vor Wut über die Frechheiten des dahergelaufenen Cowboys.
Als er jetzt im klimatisierten Komfort seines Wagens auf der Straße dahinbrauste, die zur Corbett-Ranch führte, fragte er sich bestimmt zum hundertstenmal, was dieser Typ sich einbildete, ihn mit solcher Geringschätzung zu behandeln.
Unaufgefordert war er in sein Büro eingedrungen. Er hatte ihn bedroht, hatte ihm tatsächlich ein Messer an die Kehle gedrückt. Unglaublich, diese Dreistigkeit!
Dabei konnte ihm doch so eine Null nicht das Wasser reichen! Ein Muskelprotz mit einem Gesicht wie der Marlboro-Mann, der große Töne spuckte und in Wirklichkeit nichts weiter war als ein Landstreicher, ein Taugenichts, der es nie zu etwas bringen würde.
Warum, zum Teufel, er sich von dem Angeber hatte ins Bockshorn jagen lassen, war ihm immer noch ein Rätsel. Sicher wegen dem Überraschungsangriff! Der Typ hatte ihm aufgelauert und ihn aus dem Hinterhalt überfallen. Das war zweifellos ein Grund, warum er mit so schändlicher Hast klein beigegeben hatte.
Ein zweiter Grund war seine Nervosität nach dem Stelldichein mit Connaught und Genossen gewesen – Leuten, die um hohe Einsätze spielten und denen er Versprechungen gemacht hatte, die schwer zu erfüllen sein würden.
Auch der Gedanke, Jesse Garcia gegen sich zu haben, steigerte insgesamt seine Unsicherheit; aber dieser Jack hatte ja selbst zugegeben, Garcia bei ihrem Zusammentreffen belogen zu haben. Wahrscheinlich hatte er ihm nur ein Lügenmärchen aufgetischt. Eine solche Begegnung war ja nicht bewiesen. Und bisher hatte Garcia noch nie einen seiner Auftraggeber
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