Nachtglut: Roman (German Edition)
die auch –«
Carl schlug Anna mit dem Handrücken ins Gesicht.
Der Angriff war so bösartig und unerwartet, daß sie einen Moment lang alle erstarrten. Dann begann David Carl anzuschreien, Carl lachte, und Jack konnte nichts anderes tun, als Haß und Wut zu unterdrücken, weil dieser Totschläger noch immer die Pistole auf ihn gerichtet hielt.
»Ja, da schaust du, was, du arrogantes Arschloch? Mach ruhig weiter mit deinem superklugen Gequatsche, dann kriegt sie gleich noch eine in die Fresse. Für den Anfang!« Anna preßte die Hand auf ihre blutende Lippe; aber ihre Haltung und ihr Blick, als sie ihren Peiniger anstarrte, drückten nur eisigen Hochmut aus. »Oder vielleicht mach ich’s ihr von hinten und laß dich und den Jungen zuschauen. Hm, gefällt mir eigentlich gut, der Gedanke.«
Jack war machtlos. Wenn er Carl Herbold nur den geringsten Vorwand lieferte, würde dieser ihn töten und in der kommenden Nacht trotzdem gut schlafen. Er konnte es sich nicht leisten, die Beherrschung zu verlieren – aber es kostete ihn seine ganze Willenskraft, ruhig stehenzubleiben und nichts zu tun.
Bei jedem Atemzug durchfuhr ihn brennender Schmerz. Jedes Wort, das er sprach, war eine Qual; aber er hatte nur seine Stimme als Waffe. »Hut ab, Carl, soviel Mut hab ich selten erlebt. Wen haben Sie sich denn im Knast vorgenommen? Da waren doch sicher keine Frauen und Kinder?«
Herbold stieß einen tiefen Seufzer aus und schüttelte den Kopf. »Das hat man davon, wenn man sich bemüht, nett zu sein.« Er packte Anna bei den Haaren und stieß sie auf die Knie hinunter.
Myron schwitzte. Es hatte überhaupt nichts geholfen, die Wagenfenster zu öffnen, weil kein Wind ging. Die Sonne brannte durch die Windschutzscheibe. Er hatte schon drei Cola getrunken. Carl hatte ihm befohlen, im Wagen zu bleiben. Wenn er nicht mal rauskonnte, um zu pinkeln, trank er jetzt besser nichts mehr, auch wenn er fast am Verdursten war.
Und obendrein langweilte er sich. Die Langeweile machte ihn schläfrig. Zweimal war er eingenickt und nervös wieder hochgefahren.
Wenn er einschlief und nicht auf das Geld aufpaßte, würde Carl wütend werden und ihn anschreien, er wäre ein Kretin. Er wollte Carl nicht wütend machen. Carl war sein Freund. Er durfte Carl nicht enttäuschen.
Aber er schwitzte und ihm war langweilig. Und ein bißchen Schiß hatte er auch.
Carl war schon unheimlich lange weg. Er hatte gesagt, er hätte was zu erledigen. »Weißt du noch, was ich zu dir gesagt hab, Myron? Was ich tu, sobald ich raus bin?«
»Daß du die Scheißkerle umlegst, die dich in den Knast gebracht haben.«
»Richtig. Einen hat’s schon erwischt. Cecil. Zwei stehen noch auf der Liste.« Carl hatte seine Pistole lässig um einen Finger gedreht. Myron mochte es, wenn Carl das tat – dann sah er aus wie die Cowboys im Film.
»Wird nicht lang dauern, Myron.«
Aber das tat es doch. Carl müßte längst zurück sein. Was, wenn ihm was Schlimmes passiert war? Wenn er zum Beispiel geschnappt worden war? Was, wenn er überhaupt nicht zurückkam?
Diese Möglichkeit versetzte Myron in Panik. Er wußte den Weg nach Mexiko nicht. Was sollte er mit dem Geld anfangen, das sie gestohlen hatten? Wo würde er heute nacht schlafen?
Der Angstschweiß brach ihm aus allen Poren. Er wischte sich das Gesicht mit dem Hemdsärmel. Sein Hemd klebte an
seinem Körper. Er konnte nicht stillsitzen. Dauernd juckte es ihn irgendwo. Sein Körper war voller Hitzepickel. Seine Hände schwitzten. Er legte die Pistole neben sich auf den Sitz und wischte sich die Handflächen an den Hosenbeinen trocken.
Was sollte er tun, wenn Carl nicht zurückkam?
Aber wenn er nicht genau die Anweisungen befolgte, würde Carl wütend werden. Er erinnerte sich, was Carl gesagt hatte.
»Also, paß auf, Myron. Hey, hörst du mir zu? Okay, gut. Ich laß das Geld hier bei dir. Das Geld, das wir aus der Bank mitgenommen haben, weißt du noch?«
»Ja, ich weiß, Carl.«
»Gut. Es liegt im Kofferraum, okay?«
»Okay.«
»Ich kann’s nicht mitnehmen, weil ich mit dem Riesenmatchsack auffallen würde. Drum muß ich es hier lassen.
Verstehst du?«
»Klar, Carl.«
»Schlaf nicht ein.«
»Nein, Carl.«
»Du bist der Wachposten. Du darfst dich von niemandem überraschen lassen. Hast du deine Kanonen?«
»Hier, Carl.« Er hob die Pistole in seiner Hand. Eine geladene Flinte lag quer über seinen Knien.
»Bestens«, hatte Carl ihn gelobt, und Myron war stolz gewesen. »Also, wenn jemand dem
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