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Nachtglut: Roman (German Edition)

Nachtglut: Roman (German Edition)

Titel: Nachtglut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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war.
    Delray erwartete sie an dem Tor, das den Garten von der Weide trennte. »Hast du Jack getroffen, Opa?« Atemlos vor Aufregung schoß David so viele Fragen mit solcher Geschwindigkeit ab, daß Anna die meisten nicht mitbekam. Delray mußte den Jungen ermahnen, sich zu beruhigen.
    Das war nichts Ungewöhnliches. Der Alte liebte seinen Enkel, aber der Junge stellte mit seiner überschüssigen Kraft seine Geduld oft auf eine harte Probe. Ungewöhnlich fand Anna vielmehr, daß Delray selbst irgendwie verändert schien. Er war ein Mensch, der starke Überzeugungen hegte und eisern an ihnen festzuhalten pflegte. Wenn er sich einmal eine Meinung gebildet hatte, kannte er keine Unschlüssigkeit. Was er tat, das tat er mit Entschiedenheit und ohne große Rechtfertigungsreden.
    Deshalb war es ungewöhnlich, ihn so unsicher, ja, beinahe zaghaft zu sehen, als er ihr mitteilte, daß er Jack Sawyer als Hilfskraft eingestellt hatte.
    In dem Bemühen, ihre Bestürzung nicht zu zeigen, fragte
sie mit schnellen Handzeichen: »So Hals über Kopf? Was weißt du von ihm?«
    »Er ist in Ordnung – kann zupacken.« Ihr Schwiegervater sah sie nicht direkt an, als er hinzufügte: »Jack zieht in den alten Wohnwagen.«
    Das war eine weitere Überraschung, aber bevor sie einen Kommentar abgeben konnte, sprach er eilig weiter.
    »Herrichten will er ihn selbst, du brauchst dich also nicht darum zu kümmern. Du wirst nicht mal merken, daß er da ist. Ich hab ihn schon im Stall an die Arbeit geschickt. Du sollst nur Bescheid wissen, daß er eine Weile bleiben wird. So, und jetzt muß ich selber wieder an die Arbeit. Wir sehen uns beim Abendessen.«
    Ohne weitere Erklärung war er davongegangen.
    In den Jahren seit Deans Tod hatte sie den Haushalt geführt und Delray sich um die Ranch gekümmert. Immer allein. Er hatte sich starrköpfig geweigert, eine Hilfskraft einzustellen, obwohl sie ihm das oft genug vorgeschlagen hatte.
    Aber allmählich wurde er zu alt für soviel körperliche Arbeit, und das war ein Teil des Problems. Sein Stolz hinderte ihn daran, sich Hilfe zu holen. Er wollte nicht einmal sich selbst eingestehen, daß er den Anforderungen dieses Betriebes, dem sein Leben gehörte, nicht mehr gewachsen war.
    Vielleicht empfand er es auch als illoyal seinem toten Sohn gegenüber, einen anderen auf die Ranch zu holen. Niemand konnte Deans Platz in seinem Herzen einnehmen. Niemand sollte versuchen, ihn auf der Ranch zu ersetzen.
    Während Anna beim Abendessen über ihrem Teller saß, fragte sie sich, was den plötzlichen Sinneswandel bewirkt hatte. War es Einsicht? Hatte er sich plötzlich eingestanden, daß er Hilfe auf dem Hof brauchte? Oder war Sawyer einfach ein geschickter Selbstdarsteller? Vielleicht. Aber es gab noch eine andere Möglichkeit – bei der ihr angst wurde.
    Die Nachrichten vom vergangenen Abend.
    Sie klopfte auf den Tisch, um ihren Schwiegervater auf sich aufmerksam zu machen. »Hast du Angst, er wird hierherkommen?« bedeutete sie ihm.
    »Nein.«
    Sie las ihm die kurze Antwort von den Lippen ab. Er fügte ein energisches Kopfschütteln hinzu. Dennoch glaubte Anna ihm nicht ganz.
    »Hast du deshalb diesen Mann eingestellt? Damit jemand hier ist, falls…«
    »Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Dieser Sawyer kam her, weil er Arbeit sucht. Und ich hatte sowieso schon an einen Ranchhelfer gedacht. Das ist alles.« Erregt beugte er sich wieder über seinen Teller und aß weiter. Sie ließ ihn nicht aus den Augen. Schließlich legte er die Gabel weg und sagte, ohne den Blick zu heben: »Er wird nicht hierherkommen, Anna. Das wäre viel zu gefährlich für ihn. Außerdem werden sie ihn bestimmt bald schnappen.«
    »Wen werden sie schnappen, Opa?« fragte David.
    »Niemanden. Und sprich nicht mit vollem Mund.« Das Wort wieder an Anna richtend, sagte er: »Heute war jemand von der State Police hier. Sie haben gefragt, ob sie uns jemanden rausschicken sollen, um das Haus zu bewachen. Nur vorsichtshalber. Ich hab nein gesagt.«
    Sie senkte ihren Blick zum Teller. Delray klopfte auf den Tisch. Sie spürte die Schwingungen und sah wieder zu ihm auf.
    »Ich glaube wirklich nicht, daß irgendeine Gefahr besteht«, fuhr er fort. »Aber wenn es dir lieber ist, rufe ich zurück und sag ihnen, daß ich ihr Angebot annehme.«
    Wenn er seine Familie bewachen ließe, käme das einem Eingeständnis seiner eigenen Befürchtungen im Zusammenhang mit Carl Herbolds Gefängnisausbruch gleich. Delray würde es als Schwäche

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