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Nachtglut: Roman (German Edition)

Nachtglut: Roman (German Edition)

Titel: Nachtglut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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können.
    Ungeduldig mit sich und ihren trüben Gedanken, hob sie David aus der Wanne. Er brauchte ewig, um sich abzutrocknen, seinen Schlafanzug anzuziehen und sich die Zähne zu putzen, reine Verzögerungstaktik, um möglichst lange aufzubleiben. Am Ende mußte sie sogar ein wenig mit ihm schimpfen.
    Als er endlich unter der Decke lag, setzte sie sich zu ihm aufs Bett, um mit ihm zu beten. Er schloß die Augen und faltete die Hände unter dem Kinn. Sie beobachtete seine Lippen, die die vertrauten Wörter bildeten. »Lieber Gott, beschütze Daddy, der schon bei dir im Himmel ist, beschütze meinen Opa; beschütze meine Mama. Und beschütze Jack.«
    Anna war nicht sicher, daß sie ihn richtig verstanden hatte. David änderte seine frommen Worte nur selten. Seit sie dieses abendliche Ritual aufgenommen hatten, schloß er bis auf zwei Ausnahmen immer nur Vater, Mutter und Großvater in das Nachtgebet ein. Die eine Ausnahme war ein Waschbär gewesen. Sie hatten den kleinen Räuber wie ein Haustier behandelt, ihm jeden Abend Cornflakes auf die Veranda geworfen und dann von drinnen zugesehen, wie er schmauste. Eines Morgens hatte Delray ihn tot auf der Straße vor ihrer Einfahrt gefunden. Er war überfahren worden. David hatte mehrere Abende für ihn gebetet.
    Die andere Ausnahme war ein Teddy gewesen, den er bei McDonald’s vergessen hatte. Als sie den Verlust des Spielzeugs entdeckt hatten und es wieder holen wollten, war es schon fort gewesen. Den Teddy empfahl er ungefähr eine Woche lang Gottes Fürsorge.
    Nur an diese beiden Ausnahmen konnte sie sich erinnern. Aber überraschte es sie wirklich, daß David Jack Sawyer in
sein Gebet einschloß? Seine Ankunft auf der Ranch war das aufregendste Ereignis seit einer Ewigkeit.
    Einem Jungen in Davids Alter mußte Sawyer wie eine Gestalt aus einer Abenteuergeschichte erscheinen. Er war lange nicht so alt wie Delray … auch nicht so schwabbelig und blaß wie der Kinderarzt, der David seit seiner Geburt behandelte, wenn ihm etwas fehlte. Genausowenig besaß er die sanft betuliche Art des Geistlichen, der sie manchmal aufsuchte – obwohl sie das letztemal bei Deans Beerdigung in seiner Kirche gewesen waren. Jack Sawyer unterschied sich von allen Männern, die in der kleinen Welt ihres Sohnes eine Rolle spielten.
    Kein Wunder, daß er mit seinen Stiefeln, seinem indianischen Messer, seinen Kenntnissen über Dinosaurier und seinem klapprigen Pick-up – einem orangefarbenen Chevrolet, der seine Narben so stolz trug wie ein alter Krieger – einen so starken Eindruck auf das Kind machte.
    Nachdem David sein Amen gesprochen hatte, öffnete er die Augen. »Glaubst du, daß er mich mag, Mama?«
    Es wäre albern von ihr gewesen, sich dumm zu stellen und so zu tun, als wüßte sie nicht, daß er von Jack Sawyer sprach. »Ganz bestimmt. Wer würde dich nicht mögen?« Sie beugte sich über ihn und kitzelte seinen Bauch.
    Im allgemeinen liebte er die abendlichen Kitzelorgien und konnte kaum genug bekommen; aber an diesem Abend blieb das gewohnte Quietschen und Kichern aus. Sich ihr entziehend, drehte er sich auf die Seite und schob beide Hände unter seine Wange.
    »Wenn ich mal groß bin, werd ich dann auch so groß wie Jack?«
    »Vielleicht sogar größer.«
    »Ich möcht ihm so gern mein Buch von den Dinosauriern zeigen.« Dann gähnte er tief und schloß die Augen.
    Anna blieb auf dem Bettrand sitzen und streichelte sein Haar. Voll Trauer dachte sie, während sie ihn betrachtete,
wie schön es gewesen wäre, wenn Dean ihn hätte aufwachsen sehen können. Dean wäre ein wunderbarer Vater gewesen. Um diese kostbare Erfahrung hatte das Schicksal David betrogen.
    Delray war der einzige erwachsene Mann in seinem Alltag. Delray war ein guter Mensch. Er hatte ein weiches Herz, auch wenn er nach außen schroff und streng wirkte. Aber er konnte David kein Vater sein. Es fiel ihm schwer, Zuneigung zu zeigen. Nie alberte er herum, und er lachte selten. Davids Drang nach Bewegung und Tätigkeit fiel ihm auf die Nerven. Schlimmer – er ließ es sich anmerken.
    Delray Corbett sprach nie von seiner ersten Ehe und den Schwierigkeiten, die sie mit sich gebracht hatte. Er sprach nie von jenem Sommer, als all diese Probleme den kritischen Punkt erreichten. Es war, als hätte sein Leben erst im Jahr 1976 begonnen und die Jahre davor hätten einem anderen gehört. In dem Wunsch, dieses erste Leben zu vergessen, hatte er alle Erinnerungen daran tief in sich vergraben. Zweifellos gab es Tage, an

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