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Nachtglut: Roman (German Edition)

Nachtglut: Roman (German Edition)

Titel: Nachtglut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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betrachten, so drastische Maßnahmen
zu ergreifen. Er würde nachgeben, wenn sie ihn darum bat – aber es würde ihm nicht recht sein.
    Sie schüttelte den Kopf. Der alte Mann sah erleichtert aus.
    Seine Entscheidung war gefallen und das Thema damit erledigt. Dennoch bezweifelte Anna, daß Delray Jack Sawyer eingestellt hätte, wenn nicht am Tag zuvor Carl Herbold aus dem Gefängnis geflohen wäre.
    »Ich möcht wissen, was Jack zum Abendbrot ißt.« David beugte sich vor, um durchs Fenster zum Wohnwagen hinüberspähen zu können.
    Die Tage auf der Ranch liefen so geregelt ab, daß jede Abweichung vom täglichen Einerlei aufregend war, schon gar für einen Fünfjährigen mit grenzenloser Wißbegier. Ihr Sohn hatte mit dem Sprechen die Zeichensprache gelernt und seit er seine kleinen Finger zur Verständigung gebrauchen konnte, stellte er, wie jedes andere Kind, täglich unzählige Fragen. Annas Hände waren abends oft ganz verkrampft vom vielen Gestikulieren.
    »Vielleicht hat Jack gar nichts zu essen. Kann er überhaupt kochen, Opa?«
    »Was und wie er ißt, geht uns nichts an«, erklärte Delray. »Er arbeitet hier, das ist alles.«
    »Vielleicht kann er auch manchmal mit mir spielen.«
    »Laß ihn in Ruhe, David. Hast du mich verstanden?«
    Enttäuscht maulte David: »Aber er ist doch so nett. Und er mag Dinosaurier, genau wie ich.«
    »Jack ist hier, um zu arbeiten, nicht um mit dir zu spielen.«
    Anna mischte sich ins Gespräch. »Hat er gesagt, woher er kommt?« fragten ihre Hände.
    »Er war viel auf Achse.«
    Sie sah ihren Schwiegervater fragend an. »Ist er ein Landstreicher? Ein Gammler?«
    »Nein, er arbeitet. Er zieht nur viel rum. Bleibt nie sehr lange an einem Ort. Heute hier, morgen dort.«
    Erschrocken rief David: »Glaubst du, daß er morgen wieder fortgeht, Opa? Mama, glaubst du?«
    Nein, gab sie ihm zu verstehen, sie glaube nicht, daß er so bald wieder gehen würde.
    Delray befahl David, seinen Teller leerzuessen, und der Junge gehorchte schweigend. Insgeheim wünschte sie, David würde seinen Großvater ein wenig gründlicher nach Jack Sawyer ausfragen. Sie wollte mehr über diesen Mann wissen, jedoch fürs erste ihre Neugier nicht zeigen.
    Nach dem Essen deckte David wie immer das Geschirr ab, während Anna und Delray noch bei einer Tasse Kaffee am Tisch sitzen blieben. Delray war kein gesprächiger Mann, deshalb störte ihn ihre Stummheit nicht. Heute abend jedoch schien er besonders schweigsam. Nach einer Weile fragte sie: »Hast du in der Zeitung den Bericht über Ezzy Hardges Abschiedsbankett gelesen?«
    »Das war längst fällig, wenn du mich fragst«, erwiderte er. »Der Mann muß doch an die Achtzig sein.«
    Anna lächelte vor sich hin. Der Sheriff war nicht wesentlich älter als Delray. »Du hättest hingehen sollen. Es waren eine Menge Leute dort. Bestimmt hättest du viele Bekannte getroffen.«
    »Keine zehn Pferde bringen mich zu so was! Die Eintrittskarten haben zwanzig Dollar gekostet.«
    Aber ganz sicher hatte ihn nicht dieser Preis davon abgehalten, an dem Festessen teilzunehmen. Er wäre auch bei freiem Eintritt nicht hingegangen. Und auf den Gedanken, daß sie vielleicht gern teilgenommen hätte, war er natürlich gar nicht gekommen. Ezzy Hardge indessen war Sheriff gewesen, solange sie lebte. Sie fand, er verdiente einen würdigen Abgang. Aber wenn sie vorgeschlagen hätte, sie sollten ihm diese Ehre erweisen, hätte Delray zweifellos abgelehnt.
    Als Dean sie das erstemal mit nach Hause genommen hatte, um sie seinem Vater vorzustellen, hatte er sie im voraus gewarnt: Delray sei kein besonders umgänglicher
Mensch. Es war, wie sie festgestellt hatte, eine Untertreibung. Deans Mutter Mary war Delrays zweite Frau gewesen. Bevor er mit seiner neuen Familie glücklich geworden war, hatte Delray schwere Zeiten durchgemacht. Diese schlimmen Jahre hatten ihre Spuren hinterlassen.
    Das bißchen Geselligkeit, das er gepflegt hatte, war mit Marys und Deans Tod versiegt. Nach und nach gab es zu seinen wenigen Freunden überhaupt keinen Kontakt mehr. Er schien es gar nicht zu bemerken.
    Anfangs hatte Anna geglaubt, ihre Behinderung sei ihm peinlich, und er geniere sich, in der Öffentlichkeit die Gebärdensprache zu gebrauchen; oder er wolle sie so frisch verwitwet abends nicht allein lassen, erst recht nicht nach Davids Geburt.
    Aber mit der Zeit war ihr klargeworden, daß seine Zurückgezogenheit sehr wenig mit ihr zu tun hatte. Er mochte die Menschen nicht, haßte ihre Neugier und den

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