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Nachtglut: Roman (German Edition)

Nachtglut: Roman (German Edition)

Titel: Nachtglut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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Deans Wahl überhaupt nicht einverstanden war. Jedenfalls anfangs nicht. Aber dann hab ich sie kennengelernt und gesehen, wie vernarrt Dean in sie war, und …«
    »Und wenn Dean ein Mann war, der zu seinen Entscheidungen gestanden hat – und ich denke, das war er –, dann wird Ihre Meinung wohl keine Rolle gespielt haben.«
    Delray drehte den Kopf mit einer Miene, als wollte er Jacks Bemerkung angreifen – aber dann wurden seine Züge weich, und er schüttelte den Kopf. »Nein, meine Meinung hat überhaupt keine Rolle gespielt. Die beiden haben geheiratet und waren beneidenswert glücklich. Bis er dann eines Tages beschloß, zum Militär zu gehen.«
    Jack ließ Delray den Rest der Geschichte erzählen, obwohl er den schon von Anna gehört hatte.
    »Während Dean in Übersee war, hat Anna weiterstudiert. Ihre Eltern hatten ihr genug Geld hinterlassen, um die Ausbildung zu bezahlen. Nach dem Grundstudium ist sie jeden Tag fünfzig Kilometer gefahren, um ihre Kurse zu machen. Ihr Fach war Fotografie.« Delray räusperte sich.
    »Aber als Dean nach Hause kam und krank wurde, hat sie das Studium aufgegeben, um ihn zu pflegen. Nach seinem Tod und Davids Geburt hatte es wahrscheinlich keinen Sinn für sie, die Ausbildung weiterzumachen.«
    Jack war anderer Meinung, aber es stand ihm nicht zu, das zu äußern.
    »Zu der Zeit hat sie auch aufgehört zu sprechen.«
    Jack, der damit beschäftigt gewesen war, im Geiste alle Gründe aufzufahren, warum Anna ihr Studium hätte abschließen sollen, brauchte einen Moment, um Delrays letzte Bemerkung aufzunehmen. Als er begriff, was der Alte da gesagt hatte, zog er seinen Arm von der Rückenlehne. »Wie war das? Haben Sie gesagt, daß Anna früher gesprochen hat?«
    »Sie hatte Hemmungen, besonders im Beisein von Fremden  – aber Dean hat sie immer darin bestärkt, den Sprechunterricht nicht aufzugeben.«
    Jack kämpfte immer noch mit Ungläubigkeit. »Sie konnte sprechen?«
    »Nicht wie Sie und ich, aber doch ziemlich gut – einigermaßen verständlich. Es ist genau besehen toll gewesen – wenn man sich’s mal überlegt. Ich meine, daß sie Laute bilden konnte, die sie selbst nie gehört hatte.«
    Jack war wie vom Donner gerührt. Immer wenn Anna die Gebärdensprache gebrauchte, formte sie gleichzeitig mit den Lippen die bezeichneten Wörter. Aber niemals hatte sie den Wörtern Stimme gegeben.
    »Warum hat sie aufgehört? Warum spricht sie jetzt nicht mehr?«
    Delrays Achselzucken hatte etwas Abwehrendes. Er rutschte auf seinem Sitz hin und her, als wäre ihm nicht recht behaglich. »Sie hat es nicht nötig. Tatsache ist, daß manche Gehörlose gar nicht sprechen wollen und die anderen, die meinen, sie sollten es lernen, verachten. Sie verlassen sich ausschließlich auf die Gebärdensprache.«
    »Aber gibt es nicht auch solche, die – wie Anna – beides verbinden?«
    »Hin und wieder, ja.«
    »Sie verwenden die Gebärdensprache, lesen von den Lippen und sprechen selbst, richtig?«
    »Ich bin da kein Experte.«
    Jack ließ nicht locker. »Sie muß doch Jahre gebraucht haben, um sich diese Fertigkeit anzueignen. Warum hat sie plötzlich aufgehört, sich ihrer zu bedienen?«
    »Weiß ich nicht.« Delrays Ton war gereizt, seine Stimme laut. »Warum fragen Sie sie nicht selbst? Das nächstemal, wenn Sie zu einem kleinen Schwatz mit ihr zusammenkommen?«
    Also stimmte seine Vermutung. Delray war wütend über
das, was er am vergangenen Abend von seinem Fenster aus beobachtet hatte. Jack hatte ihn dort stehen sehen, eine dunkle Silhouette vor schwachem Licht.
    Die Dunkelheit und der räumliche Abstand hatten verhindert, daß ihre Blicke sich trafen; aber Jack hatte gemerkt, daß Delray ihn direkt ansah. Außerdem hatte er den Eindruck gehabt, daß Delray schon lange dort am Fenster gestanden und gesehen hatte, wie Anna aus dem Stall gelaufen kam.
    Ein paar Sekunden lang hatte keiner der beiden Männer sich gerührt, bevor Delray sich schließlich abwandte und vom Fenster verschwand.
    Jetzt saß er verkrampft über dem Lenkrad und starrte so verbissen zur Straße hinaus, als wäre sie sein Feind und er sei entschlossen, sie zu besiegen. Sein Gesicht war wie aus Beton gegossen. Hätte man Jack aufgefordert, eine Vermutung zu äußern, so hätte er gesagt, daß der Mann litt – an seinem Zorn und an seelischem Schmerz.
    Leise fragte er: »Wie lange lieben Sie sie schon, Delray?«

16
    N atürlich wollten die Mexikaner sofort bezahlt werden.
    Emory Lomax war fünfzig Dollar

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