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Nachthaus

Nachthaus

Titel: Nachthaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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schroffen Baumriesen mit dicker, rissiger Rinde, und am Grunde der tieferen Sprünge in der Rinde glitzerte etwas wie rohes Fleisch. Er schwebte hinauf durch die un belaubten Äste, von denen riesige tränenförmige Früchte mit einer gesprenkelten grauen Schale hingen, die auf den ersten Blick so hart zu sein schien wie die Schale von Avocados. Aber bei näherem Hinsehen war sie dünner, eine Membran, die nicht etwa Kerne und Steine und Fruchtfleisch umhüllte, sondern etwas, das sich wie ein unruhiger Embryo wand und ledrige raschelnde Geräusche verursachte, als strengte es sich ungeduldig an, beengte Flügel auszubreiten.
    Im Mondschein hing er eine Weile gewichtslos über den Traumbäumen und blickte auf sie hinunter. Sie standen im Kreis, als seien sie zu einem Konklave einberufen worden und hätten sich hier versammelt, um eine Entscheidung zu treffen, die einen aus ihren Reihen in eine Machtposition erheben würde. Der Boden, um den sie herumstanden, war hart und weiß und ließ nicht einen einzigen Grashalm oder auch nur Unkraut gedeihen.
    Bei einem dieser fließenden Ortswechsel mit verschobener Perspektive, die das redaktionelle Stilmittel von Träumen sind, fand sich Fielding im Inneren eines der gewaltigen Baumstämme wieder und rutschte durch eine geschmeidige Röhre hinab; sein Vorankommen wurde durch blutigen Schleim erleichtert, als sei er ein Säugling, der zur Entdeckung der Welt durch den Geburtskanal reist. Um ihn herum pochten die Rhythmen eines lebenden Organismus’, die nichts mit dem Herzschlag der Tierwelt zu tun hatten, sondern eher wie die komplex kontrapunktierten Rhythmen von tausend Maschinen in einer riesigen Fabrikhalle klangen, obwohl es biologische und keine mechanischen Geräusche waren.
    Aus den Wurzeln hinaus und durch feine Netze von etwas Lebendigem im Erdreich wurde er in andere und zartere Wurzeln als die der Bäume gezogen, und er flirrte durch bleiche phosphoreszierende Grashalme hinauf. Im Fleisch des Grases schlugen dieselben komplexen Rhythmen wie im Splintholz und im Kernholz – wie im Fleisch – des Baumes. Er war im Gras und blickte aus dem Gras hinaus, denn das Gras konnte auf seine ganz eigene Art sehen, und er schaute die schwach geneigte Ebene hinunter auf endlose andere Grasformationen, eine phosphoreszierende Reihe nach der anderen, die sich hypnotisch wiegte. Er begriff, dass die Bewegung des Grases eine simplere Anwendung der komplexeren Rhythmen im Gewebe all dieser Organismen war.
    Unzählige Dinge krochen und krabbelten und wanden sich und huschten durch das hohe Gras, eine Spezies griff die andere in einem unaufhörlichen Krieg an und sie verschlangen sich sogar gegenseitig wie in begeisterten Anfällen von unersättlichem Kannibalismus. Mit seinen üppigen Ranken und vielleicht aus etwas wie Absicht zog das Gras seine schweren Vorhänge zu, um das endlose Gemetzel zu verbergen. Mit schnell zuschlagenden Wurzelstöcken und Sprossen stürzte sich auch das Gras auf Beute, fing alle Arten von saftigen Geschöpfen, wickelte sie ein wie Geschenke für sich selbst und labte sich an ihnen, während sie in den hellgrünen Kokons, die es spann, noch lebten.
    Eine riesige Scheibe flog tief über die Wiese; sie sah aus wie ein gigantischer Meeresrochen und sog im Vorbeikommen Fieldings träumenden Geist in sich auf, als sie sich im Mondschein zum Pendleton aufschwang. Im Inneren des Rochens pulsierten dieselben Rhythmen wie im Fleisch des großen Baumes und wie im Fleisch der Grashalme, und Fielding bekam zu verstehen gegeben, dass alle Dinge in dieser Welt eins waren, ein einziger Verstand, der sich in zahllosen Formen ausdrückte. Es herrschte keine Spur mehr von der Rivalität unter Individuen, die die frühere Welt in einen solchen Aufruhr versetzt hatte, keine Spur der Ungerechtigkeit durch Unterschiede, denn es gab nur ein einziges Ding, das in jeder Minute zahllose Male starb und ebenso oft wiedergeboren wurde. Der Krieg unter dem Gras auf dem Feld, der Krieg in der Luft und der Krieg in den Meeren – all das waren Bürgerkriege, und daher gab es keinen Sieger und keinen Verlierer, weil der Verlierer, verspeist und weiterverarbeitet, zum Sieger wurde.
    Das war die Ökologie des immerwährenden Friedens durch immerwährenden Krieg, eine Ökologie des Einen, durch Eines, für Eines, eine effiziente Ökologie ohne ein Gramm Abfall, eine gesunde, narzisstische Natur, die gedieh, weil sie nur mit sich selbst im Wettstreit lag und kein anderes Motiv als den

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