Nachthaus
Domini« und »Libera nos a malo« und andere Dinge in lateinischer Sprache, als hätte sie den Verdacht, sie könnten noch dämonisches Leben besitzen, das sich jeden Moment in einer neuen Gestalt erheben könnte.
»Meine Liebe«, sagte Martha, »du bist schlicht und einfach keine Exorzistin.«
»Ich gebe nicht vor, eine zu sein. Ich treffe nur Vorsichtsmaßnahmen.«
»Bringt sich ein Amateur nicht in Gefahr, wenn er sich mit Dämonen abgibt? Ich meine, falls sie Dämonen wären. Was sie ja nicht sind.«
»Hast du ein Stück Kreide?«, fragte Edna. Dann deutete sie auf eine der Pfützen und sagte wieder etwas Lateinisches.
»Woher sollte ich Kreide haben?«, sagte Martha.
»Tja, wenn du keine Kreide hast, könnte es ein Lippenstift oder ein Augenbrauenstift auch tun.«
»Zufällig habe ich meine Handtasche nicht mitgenommen. Und auch keinen Koffer. Oder einen Picknickkorb.«
»Ich brauche etwas, womit ich um jede von ihnen ein Pentagramm zeichnen kann. Damit sie nicht herauskönnen.«
»Ich habe nicht den Eindruck, als könnten sie sich von der Stelle rühren. Wenn du mich fragst, sind sie tot.«
»Ich muss dafür sorgen, dass sie nicht rauskönnen«, beharrte Edna, und ihre Stimme überschlug sich. Tränen traten in ihre Augen und rannen über ihre Wangen. »Sie haben meine süße Smoke und meine kleine Ashes getötet. Ich muss sie in einem Pentagramm festhalten, bis Pater Murphy oder jemand anderer herkommen, das richtige Ritual vollziehen und sie in die Hölle zurückschicken kann, damit sie den Miezekätzchen von anderen Leuten nichts tun können. Hast du Pater Murphy angerufen? Hast du ihm gesagt, er soll sich beeilen?«
Martha wurde von einer neuen Furcht überwältigt, einer Spielart, die sich mit Kummer und Sorge vermischte. Aus Ednas zitternder Stimme war eine Spur von Verzagtheit und Bestürzung herauszuhören, die andeutete, dass sie unter dem enormen Stress dieser Ereignisse die Grenze zwischen bezaubernder Exzentrik und geistiger Verwirrung, die weniger einnehmend und dafür umso beunruhigender war, überschritten hatte. Das Elfenhafte, das sie schon seit ihrer Kindheit ausgezeichnet hatte, war verschwunden. Plötzlich sah Edna älter aus als sie war.
»Ja, meine Liebe«, sagte Martha, »ich habe Pater Murphy angerufen. Er ist unterwegs. Komm her, stell dich neben mich, während wir auf ihn warten. Komm her und nimm meine Hand.«
Edna schüttelte den Kopf und sagte: »Das kann ich nicht. Ich muss diese Mistkerle im Auge behalten.«
Marthas Gefühl von Angreifbarkeit verstärkte sich und jetzt wurde ihr klar, dass sie sich unbewusst schon lange vor dieser Nacht grundlegend verunsichert gefühlt hatte, nämlich schon von dem Moment an, als sie Cupp Sisters Cakes verkauft hatten und sie als Geschäftsführerin zurückgetreten war. Sie besaß einen guten Geschäftssinn. Es ließ sie aufblühen, die Dinge unter Kontrolle zu haben. Beim Rückzug aus dem Geschäftsleben hatte sie das Steuer des Schiffs gegen ein Rettungsboot einge tauscht, in dem sie fortan hilflos trieb. Einen Monat nach ihrem Ausstieg aus der Firma hatte sie die Pistole gekauft. Bei der Anschaffung war es ihr nicht um die Bedrohung durch ein Verbrechen gegangen, sondern es war lediglich eine unbewusste Reaktion auf ihr Gefühl von Angreifbarkeit gewesen, wenn sie kein großes Schiff unter sich hatte. Jetzt stand sie ohne das Schiff da, ohne einen ihrer beiden charmanten, aber leichtfertigen Ehemänner, ohne die Waffe und vielleicht auch ohne die volle Kraft der Schwester, auf die sie sich ebenso sehr gestützt hatte, wie Edna sich auf sie.
Martha entfernte sich von der Wand, an der sie gestanden hatte, und ging zu Edna. Sie nahm die Hand ihrer Schwester. »Erinnerst du dich noch an die erste Katze, die wir jemals hatten? Wir waren noch kleine Mädchen. Du warst neun und ich war sieben, als Dad mit dem Kater nach Hause kam.«
Edna zog kurz die Stirn in Falten, doch dann hellte sich ihr reizendes Gesicht auf. »Mr. Jingles. Er war ein zauberhafter Junge.«
»Ganz schwarz mit weißen Socken, erinnerst du dich?«
»Und mit einer weißen Raute auf der Brust.«
»Was er mit einem Stück Schnur angestellt hat, war zum Schreien komisch«, sagte Martha.
Ednas Blick entfernte sich von ihrer Schwester und sie sagte zu jemand anderem: »Gott sei Dank, dass Sie da sind.«
Im ersten Moment schoss Martha der verrückte Gedanke durch den Kopf, Pater Murphy sei mit dem Rituale romanum , mit Weihwasser, gesegnetem Öl, Salz und Stola
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