Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachthaus

Nachthaus

Titel: Nachthaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
Vom Netzwerk:
konnte. Vor ihrer Ehe mit Vince hatte sie nur wenige und sehr unschuldige Erfahrungen mit der Liebe gemacht, und nachdem sie Vince überlebt hatte, würde sie vielleicht feststellen, dass jede Aussicht auf körperliche Liebe von der, wenn auch sehr unwahrscheinlichen Möglichkeit überschattet wurde, eine Saat der Gewalttätigkeit warte nur darauf, durch eine Beziehung befruchtet zu werden.
    Sie bedankte sich also bei Bailey für seine Freundlichkeit, schloss die Tür und schob beide Riegel vor. Sie war zu Hause, in ihrem Nest, einem Nest für eine Person, und sie war froh, hier zu sein, wo sie mit allem vertraut und alles sorgsam gepflegt war, wo niemand, der gelobt hatte, sie zu lieben und zu ehren, nur darauf wartete, sein Gelübde zu brechen.
    Sie musste zur Ruhe kommen und nichts beruhigte sie mehr als die Zubereitung eines delikaten Desserts. In der Küche ging sie als Erstes zum Spülbecken, um sich die Hände zu waschen, nachdem sie beschlossen hatte, einen Battenbergkuchen mit Kakao und einer Hülle aus weißem Marzipan zu backen. Als Sally den Wasserhahn aufdrehte, wurde sie von hinten angegriffen. Eine Hand packte ihr Haar, eine andere schloss sich brutal um ihren linken Arm und zwang sie, sich vom Spülbecken abzuwenden und sich zu ihrem Angreifer umzudrehen. Während der Drehung dachte sie Vince , denn sie nahm an, er hätte sie nach all den Jahren doch gefunden. Aber es war der Dämon aus dem Geschirrkabinett: dieser beinah menschliche haarlose Kopf, die bleifarbene Haut, diese grässlichen grauen Augen, die mit ihrer schwarzen Iris wie bodenlose Brunnen wirkten, kräftiger als ein Mann, aber irgendwie geschlechtslos. Die aschfahlen Lippen zogen sich von spitzen grauen Zähnen zurück und die Kreatur zischte, griff mit der Schnelligkeit einer Schlange an und biss sie in den Nacken, ehe sich ihr ein Schrei entringen konnte.
    Mit dem Biss ging eine sofortige Lähmung einher und Kälte durchströmte ihren Körper, gefolgt von dem Verlust jeglichen Gefühls in ihren Gliedmaßen. Ihr plötzlich starres Gesicht fühlte sich an, als sei es vom Gips einer Totenmaske umhüllt, und sie hatte keine Stimme für einen Schrei, noch nicht einmal für ein Flüstern. Sie konnte riechen und hören, sie konnte ihre Augen und ihre Zunge bewegen, sie konnte atmen und ihr Herz raste; aber wenn das Geschöpf sie losließe, würde sie schlaff und reglos auf den Boden sacken.
    Ihr Grauen war so immens, dass es sie hätte lähmen können, wenn das nicht bereits durch den Biss geschehen wäre. Die Nächte der letzten zwanzig Jahre hatte sie größtenteils in einer wohltuenden, friedlichen Abgeschiedenheit allein verbracht. Erst jetzt wurde Sally Hollander von einer verzweifelten Einsamkeit überwältigt, dem Bewusstsein eines furchterregenden Abgrunds, der unter dem Leben liegt und in jedem einzelnen Moment aufzureißen und alles, aber auch alles, zu schlucken droht. Ihr unmittelbar bevorstehender Tod jagte ihr nicht annähernd so viel Angst ein wie die Aussicht, ihr Leben in einem fortwährenden Rückzug verbracht zu haben, ein Leben gelebt zu haben, das am Ende auf viel weniger hinauslief als das, was sie sich jemals erhofft hatte, ein Leben, das ohne einen Zeugen in den Armen dieser Kreatur enden würde, deren Augen die Pforten zu einer unbarmherzigen Leere waren.
    Eine Zunge fuhr zwischen den spitzen Zähnen hervor, weder eine menschliche Zunge noch, wie sie erwartet hatte, die einer Schlange. Sie war grau und schimmernd, röhrenförmig hohl und ähnelte einem sehr biegsamen Gummischlauch von gut zwei Zentimetern Durchmesser. Sie flatterte vor ihr durch die Luft und glitt dann wieder in den Mund zurück, als sei es eben doch keine Zunge, sondern stattdessen ein anderes Geschöpf, das in der Kehle der größeren Kreatur hauste.
    Der Dämon war mindestens zwei Meter groß und er hielt Sally in seinen starken Armen, beugte sich vor und senkte sein Gesicht auf sie herab, als hätte er vor, seine Zähne in sie zu schlagen und sie bei lebendigem Leibe zu verschlingen. Sie merkte, dass ihr Unterkiefer herunterfiel, doch es stand wei terhin nicht in ihrer Macht, den Mund zu schließen oder zu schreien. Sie war angewidert, als sich der offene Mund der Krea tur über ihren Lippen schloss, nicht etwa zu einem Kuss, sondern so, als wollte er den Lebenshauch aus ihr heraussaugen. Während die röhrenförmige Zunge über ihre eigene Zunge glitt, wurde ihr Ekel so unerträglich, dass sie fast den Verstand verlor. Als der unglaublich lange

Weitere Kostenlose Bücher