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Nachthaus

Nachthaus

Titel: Nachthaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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der Beleuchtungsrevolution waren.
    Manchmal litt Silas – das lag bei ihm in der Familie – unter Stress oder bei heftigen Gefühlsausbrüchen an Zuckungen der rechten Hand und des Kiefers, die seinen Mund beben ließen. Jetzt begann er zu zittern, jedoch nicht vor Furcht, sondern aus Verwunderung. Vergangenheit und Gegenwart schienen sich hier zu treffen, als seien all die vergangenen Epochen nur eine Tür, eine Schwelle, einen Schritt entfernt.
    Direkt vor ihm öffnete sich eine Tür und der Spuk begann. Der Mann, der eintrat, war Jahrzehnte vor Silas Kinsleys Geburt gestorben. Andrew Pendleton. Milliardär zur Blütezeit der amerikanischen Wirtschaft. Der erste Besitzer dieses Hauses. Er war kein Geist, kein kettenrasselndes Gespenst, das es darauf abgesehen hatte, Ebenezer Scrooge zu peinigen, sondern eher ein Reisender aus einer anderen Zeit. Er war für eine andere Epoche gekleidet: breite Aufschläge an den Hosenbeinen, ein breites Revers am Jackett, eine hohe Passe an der Weste, eine handgeknotete Schleife.
    Verblüfft fragte Pendleton: »Wer sind Sie?«
    Ehe Silas darauf antworten konnte, kräuselte sich Belle Vista und schimmerte wie eine Fata Morgana, und gemeinsam mit dem Empfangsraum wurde der längst tote Geschäftsmann transparent und löste sich auf. Silas stellte fest, dass er in dem hell erleuchteten Foyer des Pendleton stand und alles so war, wie es sein sollte.
    Hinter dem Schalter der Concierge befand sich der Eingang zu einer Garderobe, die nur benutzt wurde, wenn in dem Bankettsaal Partys gefeiert wurden. Durch diese Tür kam jetzt Padmini Bahrati, eine schlanke Schönheit mit riesigen dunklen Augen, die Silas an seine Nora erinnerten, die er verloren hatte.
    »Mr. Kinsley«, sagte die Concierge, »wie geht es Ihnen heute Abend?«
    Silas zitterte immer noch. Er blinzelte, blieb einen weiteren Moment lang sprachlos und sagte dann: »Haben Sie ihn gesehen?«
    Sie rückte die Manschetten ihrer Bluse zurecht und sagte: »Wen denn?«
    Nach ihrem Verhalten zu urteilen hatte sich die Verwandlung des Foyers nicht auf die Garderobe erstreckt. Ihr war nicht bewusst, was passiert war.
    Silas bemühte sich, mit fester Stimme zu sprechen. »Einen Mann. Der gerade fortgegangen ist. Er war so angezogen, als käme er geradewegs aus dem späten neunzehnten Jahrhundert.«
    »Vielleicht ist das ein neuer Modetrend«, sagte Padmini. »Das wäre doch hinreißend, wenn man bedenkt, wie manche Leute heutzutage herumlaufen.«
    Twyla Trahern
    Als sie die Tür zu Winnys Zimmer zuknallte und sich davon erhoffte, die bösartige Kraft, die sich dort zu manifestieren versucht hatte, in dem Zimmer einzusperren, und als sie mit dem Jungen durch den Flur zu ihrem Schlafzimmer eilte, sagte sich Twyla im ersten Moment, sie würde nur das Nötigste in einen Koffer werfen, ehe sie das Pendleton verließ. Aber als sie die Schwelle ihres Schlafzimmers erreichte, beschloss sie, es wäre eine Dummheit, ihren Aufbruch auch nur eine Minute länger als nötig hinauszuzögern. Vor ihren Augen hatte sich die Wirklichkeit verändert und dann wieder zurückverwandelt. Sie wusste nicht, was hier geschah, aber sie musste so darauf reagieren, wie sie reagiert hätte, wenn sie den Geist eines Geköpften gesehen hätte und der Kopf, den er unter dem Arm trug, mit ihr gesprochen hätte: Sie musste schleunigst verschwinden.
    Sie brauchte nichts weiter als ihre Handtasche, die ihre Autoschlüssel, ihr Scheckheft und ihre Kreditkarten enthielt. Neue Kleidung und alles, was sie sonst noch brauchten, konnten sie überall kaufen.
    »Bleib dicht bei mir«, drängte sie Winny, als sie das Wohn zimmer durchquerte, um zu dem Teil der Wohnung zu gelangen, in dem sich ihr Arbeitszimmer befand, denn dort hatte sie ihre Handtasche liegen lassen.
    Sie ging nicht so oft in die Kirche, wie sie es vielleicht tun sollte, aber Twyla war gläubig. Sie war in einem Haushalt mit einer viel gelesenen Bibel aufgewachsen, wo man jeden Abend vor dem Essen und noch einmal vor dem Schlafengehen betete. In der Kleinstadt, in der sie aufgewachsen war, lebten die meisten Menschen so weit es ging nach der Überzeugung, die auch ihre Familie teilte: Dieses Leben sei eine Vorbereitung auf ein anderes. Als Winston, ihr Daddy, bei der Explosion eines Kohle brechers gestorben war, hatten auf seiner Beerdigung viele Leute gesagt: »Er ist jetzt an einem besseren Ort«, und sie hatten es ernst gemeint. Es gab diese Welt und die Welt danach, und Twyla hatte einmal einen Song über die

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