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Nachthaus

Nachthaus

Titel: Nachthaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Weihnachten einen neuen Gefährten zuzulegen. Oft glaubte er, die Welt wäre ein besserer Ort, wenn Hunde die klügsten Geschöpfe auf dem Planeten wären und wenn sich die Menschen mit all ihrem Stolz, ihren Begierden und ihrem Hass nie ent wickelt hätten.
    Als sich die Türen des Aufzugs öffneten, trat ein großer Mann in einem Abendanzug heraus. Er hielt sich wie eine vornehme Persönlichkeit auf einer prunkvollen Veranstaltung. Die Natur hatte ihm ein distinguiertes Gesicht mitgegeben, eine Patrizier nase, Augen so blau wie reines, tiefes Wasser, eine hohe Stirn und schneeweißes Haar.
    Kirby trat verblüfft zurück. Das Hemd und das Gesicht dieses Fremden waren mit Blut bespritzt. »Sir, fehlt Ihnen etwas? Sie sind verletzt.«
    Der Abendanzug war schmutzig, zerknittert und stellenweise zerrissen, als sei der Mann in ein Handgemenge geraten, vielleicht auf der Straße überfallen worden – aber andererseits war er nicht vom Regen durchnässt. Anscheinend bestürzt sah er sich im Hausflur um, blickte auf die Doppeltüren von Twyla Traherns Wohnung zu seiner Linken und dann zur Tür von Hawks’ Wohnung, die direkt vor ihm lag. »Was ist das für ein Ort? Es ist das Belle Vista … und ist es doch nicht.«
    In seiner Stimme schwang mehr als nur eine Spur von Verwirrung mit. Außerdem bebte sie vor Angst und vielleicht sogar Verzweiflung.
    Auf den zweiten Blick sah Kirby, dass das vornehme Gesicht bleich und abgespannt wirkte. Grauen schlich sich in die erschrockenen blauen Augen.
    »Was ist Ihnen denn zugestoßen?«, fragte Kirby.
    »Dieser Ort … Wo ist das? Wie bin ich hierhergekommen? Wo bin ich?«
    Kirby trat vor, um den Mann mit den Blutspritzern am Arm zu nehmen, denn er schien wacklig auf den Beinen zu sein und eine Stütze zu brauchen.
    Ehe Kirby ihn berühren konnte, hob der Fremde abwehrend beide Hände, die von glitschigem Blut bedeckt waren. »Fast hätten wir es geschafft, alle unberührt …«, murmelte er, »doch dann die Sporen.«
    Kirby wich wieder zurück und sagte: »Sporen?«
    »Zeuge hat gesagt, sie seien von einer gutartigen Sorte und wir hätten nichts zu befürchten. Aber er ist ein Teil von alldem und man darf ihm nicht glauben.«
    Der Blick des Mannes wanderte weiter über die Wände und die Decke, und sein Gesicht verzog sich bekümmert, als wiche seine Ratlosigkeit rasch einer tiefer greifenden Verwirrung und sein Wahrnehmungsvermögen, sein Gedächtnis und seine Vernunft entglitten ihm.
    »Ich habe sie alle getötet. Den Herrn und die Herrin, die Kinder, das Personal.«
    Bei genauerer Betrachtung sah Kirby, dass es sich bei dem Anzug nicht um einen gewöhnlichen Smoking handelte. Er sah eher nach einer eleganten Livree aus, die ein Dienstbote von hohem Rang tragen mochte.
    »Sie waren infiziert, da bin ich mir sicher, deshalb musste ich sie alle töten, sogar die wunderschönen Kinder, Gott steh mir bei, ich musste sie alle töten, um die Welt zu retten.«
    Ein plötzliches Gefühl von Todesgefahr überwältigte Kirby und er wich mit klopfendem Herzen vor dem Mann zurück, zu der Tür, die zum nördlichen Treppenaufgang führte.
    Der Butler, falls er das war, schien keinerlei Interesse an Kirby zu haben, und ihm schien keine Spur von Böswilligkeit geblieben zu sein. Er sagte: »Jetzt muss ich mehr Munition holen, damit ich mich selbst umbringen kann.« Während er durch den Flur lief, begann er durchsichtig zu werden, als sei er nie wirklich vorhanden gewesen, sondern nur eine geisterhafte Erscheinung. Er verschwand durch die Wand, in Hawks’ Wohnung.
    Obwohl Kirby nicht an Gespenster glaubte, konnte das eines gewesen sein – bis auf das Blut, das von den Händen des Mannes getropft war und Flecken auf dem Läufer im Flur hinterlassen hatte.
    * * *

Winny
    Den Aufzug konnten sie nicht benutzen, weil mit dem etwas nicht stimmte – da war ein großes Insekt oder so was drin, das es auf seine Hand abgesehen hatte –, und vor der Treppe fürchteten sie sich, und daher nahmen er und seine Mom eine Auszeit in der Wohnung der Sykes’, denn es schien so, als könnten sie nirgendwo anders hin.
    Winny kannte Mrs. Sykes nur vom Grüßen, wenn sie sich im Treppenflur oder unten im Foyer begegneten, und er wusste, wer Iris war, die allerdings nie Hallo sagte. Iris war drei Jahre älter als Winny und ertrug keine Menschen, was nicht daran lag, dass sie sie für dumm oder gemein oder langweilig hielt – obwohl die meisten von ihnen es waren –, sondern daran, dass sie Autismus hatte.

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