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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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beobachtet, wie er sich verwandelte. Mehr als einmal. Und in mehr als eine Gestalt.
    Etwas im nächtlichen Himmel erregte ihre Aufmerksamkeit. Rot und pulsierend, glitzernd und hell leuchtend wie ein Tropfen Blut auf dem endlosen Indigoblau. Ein Stern. Sie wusste nicht, was das bedeutete. Doch ihr war klar, dass sie diesen Stern schon einmal gesehen hatte. Früher, in einem anderen Leben. Es war so schwer nachzudenken, während sie Wellen des Schmerzes durchrollten. Träumte sie schon wieder? Hatte sie Halluzinationen? War sie in der Hölle?
    Ein hämmerndes Geräusch setzte irgendwo in ihrer Nähe ein, außerhalb ihrer Sichtweite. Das rhythmische Rauschen von Blut, das durch einen hohlen Muskel gepumpt wurde. Durch ein Herz. Es war ein Geräusch, das sie überall wiedererkennen würde.
    Sie stöhnte wortlos auf. Dann begannen das Feuer und die Schmerzen sich tiefer in sie hineinzubohren. Sie tobten in ihrem Schädel und rissen wie scharfe Zähne an ihrer Haut.
    »Sie kommt zu sich.«
    Die Stimme stammte von einem Mann. Sie war leise und vollkommen tonlos. Eine zweite, ebenso emotionslose Stimme antwortete.
    »Endlich.« Das Geräusch von Stiefeln auf dem Zementboden, dann ein Stuhl, der zurückgeschoben wurde. »Machen wir weiter.«
    Sie erkannte das Geräusch von einem Feuerstein auf Metall, das Zischen von Papier und Tabak, als diese entzündet wurden, und den Geruch von Rauch in ihrer Nase. Ehe sie sprechen, ganz zu sich kommen oder ihre Augen öffnen konnte, drang ein neuer und viel schlimmerer Schmerz zu ihr durch. Er schnitt durch ihre Beinahe-Bewusstlosigkeit wie tausend heiße Messer, die sich auf die zarte Haut ihres Innenschenkels pressten.
    Dann der üble, grauenvolle Geruch nach verbranntem Fleisch. Ihrem Fleisch.
    Der Schrei stieg aus ihrer Kehle, ehe der Schmerz sie ganz ergriffen hatte, ehe er so schlimm wurde, dass sie hilflos um sich schlug und sich nichts mehr wünschte, als dass er aufhörte. Doch sie war gefesselt, festgebunden von unsichtbaren Ketten um ihre Handgelenke und Fußknöchel. Es war ihr nicht möglich, dem Schmerz zu entkommen. Also schrie sie immer weiter, so wie auch der Schmerz nicht aufhörte.
    Die angespannte Faust, die gegen ihre Wangenknochen schlug, setzte dem Ganzen ein Ende.
    »Halt’s Maul oder ich reiß dir die Zunge raus, Schlampe!«
    Die zweite Stimme zischte und spuckte in ihr Ohr.
    Jenna verfiel in ein benommenes, gequältes Schweigen. Das hämmernde Herz kam näher. Und noch näher.
    »Also«, begann die Stimme erneut, wobei sie diesmal sachlicher klang. »Ich frage dich noch einmal. Und dieses Mal solltest du mir sagen, was ich wissen will.«
    Sie wandte den Kopf in die Richtung der Stimme, was sogleich prickelnde Schmerzen zur Folge hatte. Langsam versuchte sie, ihre Lider zu öffnen, was ihr jedoch kaum gelang.
    Als sie die Augen endlich offen hatte, sah sie verschwommen das Zimmer um sich. Die nackten Wände, den zerkratzten Holztisch, das schimmernde Tablett mit den Folterinstrumenten. Eine Lampe an der Decke surrte und flackerte. Ihr grelles, gnadenloses Licht ließ den Raum noch heller erscheinen.
    Der rauchende Mann stand drohend über ihr und lächelte sie mit ausdruckslosen, toten Augen an.
    Daria … Wo war Daria? Jenna erinnerte sich an einen kurzen Kampf und wie der Arm des rauchenden Mannes ausgeholt hatte. Dann hatte sie ein dumpfes, platzendes Geräusch gehört, das ihr Bauch von sich gegeben hatte, als das Messer hineingebohrt wurde. All das war so schnell geschehen, dass ihr keine Zeit geblieben war, sich zu verwandeln. Zumindest war es ihr gelungen, mit einem harten, gut getimten Schlag einem Mann die Nase zu brechen, denn in ihrer Faust hatte sie noch immer das Eisenstück gehabt.
    Man hatte sie verprügelt, ihr Schnitte zugefügt und sie mit Zigaretten verbrannt. Zumindest hatte man ihr das Schlimmste erspart. Die Männer hatten sie nicht vergewaltigt. Als man sie an das Bett fesselte, hatte sie geschrien und war vor ihren groben Händen zurückgewichen. Doch die Kerle hatten nur gelacht und derbe Witze darüber gerissen, dass Sex mit ihr schlimmer als mit einem Tier sein würde.
    Etwas Feuchtes und Klebriges breitete sich auf dem Laken unter ihr aus. Etwas Warmes quoll aus der offenen Wunde in ihrem Bauch. Blut. Viel Blut, das sie allerdings aus irgendeinem seltsamen Grund nicht riechen konnte. Sie roch nur den Zigarettenrauch, verbranntes Fleisch und den sauren Gestank ungewaschener Körper.
    »Soll ich die Frage wiederholen? Oder glaubst du,

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