Nachtjaeger
der von einer Fackel entzündet wurde …
… als ob ein Tier, das in ihr geschlummert hatte, endlich geweckt worden war, um sich mit wilder, ungezähmter Freude seinen Begierden hinzugeben.
Jenna öffnete die Augen und starrte an die Decke. Sie spürte, wie sich etwas Dunkles, einem Sturm gleich, in ihr zusammenbraute.
9
Gerade noch war sie Sturm und Feuer, Leidenschaft und Anspannung in seinen Armen, im nächsten Augenblick verwandelte sie sich in einen Hauch von Nebel.
Leander hätte vermutlich nicht überrascht sein sollen. Schließlich wusste er, dass so etwas passieren würde. Vom ersten Moment an, als er sie gesehen hatte, war ihm klar gewesen, dass unter dieser elfenbeinfarbenen Haut eine Kraft schlummerte, die nur darauf wartete, losgelassen zu werden. Er wusste hundertprozentig, dass sie sich verwandeln würde – so sicher, wie er seinen Namen kannte.
Doch es war nicht nur die Plötzlichkeit, mit der das alles geschah, die ihn erstaunte und auf ihr leeres Kleid blicken ließ, das mit einem leisen Rascheln auf der Bettdecke zurückblieb – ebenso wie der Duft ihrer Haut, den er noch deutlich wahrnahm.
Es war vielmehr die Tatsache, dass sie sich jetzt verwandelt hatte. Noch waren es einige Tage bis zu ihrem Geburtstag.
In der bisherigen Geschichte ihrer Spezies, deren Aufzeichnungen beinahe zweitausend Jahre vor Christi zurückreichten, hatte Leander noch nie von einem Halbblut gehört, das sich vor seinem fünfundzwanzigsten Geburtstag verwandelte.
Es ging schließlich um unabänderliche, wissenschaftliche Tatsachen. Wenn sich das Ikati-Blut mit menschlichem Blut vermischte, wurde es verwässert, geschwächt, korrumpiert. Es verlor jene Reinheit, die für die genetischen Charakteristika der Ikati so typisch war. Bei einem Ikati-Kind fand die erste Verwandlung irgendwann zwischen dem zwölften und dem sechzehnten Geburtstag statt, aber bei einem Halbblut …
Bei einem Halbblut dauerte es genau fünfundzwanzig Jahre von der Minute der Geburt an, und dann fand die Verwandlung entweder statt, oder sie tat es nicht.
Wenn sie stattfand, überlebte sie nur ein geringer Prozentsatz der Betroffenen.
Am Rand jeder Ikati-Kolonie gab es namenlose Gräber, wo die Gebeine dieser minderwertigen Wesen verscharrt waren. Das Gesetz war in dieser Hinsicht eindeutig. Man überlebte die Verwandlung oder man starb.
Jenna hingegen verwandelte sich ohne Probleme, und das noch dazu früher als normal. Leander wusste nicht so ganz, was er davon halten sollte.
Er sah zur Decke hoch, wo sie sich unter dem weißen Putz ausgebreitet hatte. Lautlos schwebte sie auf den Kronleuchter in der Mitte des Zimmers zu, ein zarter Hauch aus weißem Nebel, der sich immer wieder ausbreitete und zusammenzog, wie ein Gespenst in der Nacht.
»Jenna«, sagte er. Er war noch immer atemlos von dem Gefühl ihrer Lippen auf den seinen, von ihrem Körper, der sich so weiblich, so sinnlich angefühlt hatte. »Komm wieder hierher.«
Er beobachtete, wie sie sich um den Kronleuchter sammelte, darüberschwebte und seine Kanten und Flächen entdeckte, bis sie jeden einzelnen der Kristalltropfen erkundet hatte. Leander warf einen Blick auf die Verandatür. Vor Schreck blieb sein Herz beinahe stehen. Er hatte sie einen Spalt offen gelassen.
Er stand vom Bett auf und stellte sich unter den Kronleuchter.
»Bitte komm herunter.« Er starrte zu ihr hoch. Sie schwebte über ihm, das Schönste aller Phantome. »Wenn du einfach ›runter‹ denkst, wird es passieren.« Er beobachtete, wie sie sich zu einer Gestalt zusammenballte und wieder auflöste, wie sie auf der Luft dahinfloss, kleine Wellen schlug und sich so durchsichtig machte, dass er die Decke hinter ihr sehen konnte.
In einer eleganten Wolkenformation aus weißem Nebel ließ sie sich herab und verwandelte sich direkt unter seiner Nase wieder zu einer Frau. Zu einer völlig nackten Frau, die nur von wenigen Haarsträhnen ihrer honigblonden Mähne verdeckt war. Ihm stockte geradezu der Atem, als er die Rundung ihrer Brüste unter ihren Haaren sah. Hastig trat er einen Schritt zurück und versuchte, ihr ausschließlich in die Augen zu schauen.
Diese waren so groß wie Untertassen, leuchteten grün und gelb und starrten ihn mit einer Mischung aus Entsetzen und Begeisterung an.
»Alles in Ordnung«, sagte er. »Rühr dich nicht vom Fleck.«
Er riss den weichen Kaschmirüberwurf, der am Ende des Bettes lag, von der Matratze, schüttelte ihn aus und legte ihn sanft um ihren Körper. Jenna
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