Nachtjaeger
zitterte. Er rieb ihr mit den Handflächen über die Arme, um den Kreislauf wieder anzuregen, während er an Baseball dachte, um sich von der schmerzenden Erektion abzulenken, von den Gedanken, welche Freuden unter diesem Überwurf verborgen waren und wie ein einziges Reißen an dem Stoff ihren Körper entblößen würde.
»Leander …«, sagte sie. Ihr versagte beinahe die Stimme, als sie seinen Namen aussprach.
»Ja?«
»Ich habe gerade … Ich habe gerade …«
Er musste sich räuspern, um ihr antworten zu können. »Du hast dich gerade verwandelt«, erklärte er.
Sie sah ihn an. Es war ein klarer, konzentrierter Blick aus Augen, die phosphoreszierend grün unter ihren auffallend langen Wimpern hervorblickten. Ein wenig Farbe kehrte in ihre Wangen zurück, sodass man den Eindruck hatte, makelloser Marmor wäre auf einmal von Leben erfüllt.
»Verwandelt …«
Sein Herz setzte einen Moment lang aus. Selbst in ihrer Verwirrung war sie so wunderschön, dass ihm das Atmen schwer fiel. »Du kannst dich verwandeln, Jenna. Du bist eine Ikati. Wie dein Vater. Wie ich«, murmelte er, magisch von ihren Augen angezogen.
Sie blinzelte, und das Beben, das ihren ganzen Körper erfasst hatte, ließ allmählich nach. Langsam atmete sie aus, und damit schien sich auch die Spannung in ihren Gliedern nach und nach zu lösen.
»Eine Ikati«, wiederholte sie, wobei sie das unbekannte Wort langsam über ihre Zunge rollen ließ.
»Es ist ein alter Name aus unserem Heimatland. Es bedeutet, dass man seine menschliche Form verwandeln kann, um etwas anderes zu werden, um mehr zu werden.«
»Mehr als menschlich.« Ohne zu blinzeln sah sie ihm so tief in die Augen, dass er das Gefühl hatte, sie könnte auch die hinterste Ecke seiner Seele erkennen – als ob er ein Geheimnis wäre, ihr Geheimnis, das sie zu lösen versuchte. Einen Moment lang huschte die Andeutung eines Lächelns über ihre Lippen, verschwand aber sofort wieder. Dann runzelte sie die Stirn. Sie musterte ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue und zeigte diesen trotzigen Blick, den er allmählich von ihr kannte. Ihr Mund verwandelte sich dabei in eine entschlossene, schmale Linie.
»Ich glaube, ich muss mich hinsetzen«, sagte sie. Er sprang sofort herbei, um ihr den kaputten Seidensessel hinzuschieben. Nachdem sie sich gesetzt hatte, der Rücken kerzengerade, der nackte Körper sicher unter dem Kaschmirstoff verborgen, stellte er sich hinter sie.
Sie blickte aus dem Fenster auf die Veranda und die Stadt dahinter, ohne einen Laut von sich zu geben.
»Ich weiß, dass es ein Schock für dich sein muss. Wahrscheinlich kommt dir das Ganze unglaublich vor«, sagte Leander. Ihre unnatürliche Ruhe verunsicherte ihn. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, was dahinterstecken könnte. Als er sich das erste Mal mit elf Jahren verwandelt hatte, war er brüllend vor Freude in Kreisen auf dem Rasen von Sommerley herumgerannt.
Aber er war auch darauf vorbereitet gewesen. Er hatte sein ganzes Leben lang gewusst, wer und was er war. Er hatte sich immer verwandeln wollen. Jenna hingegen …
Er zog den anderen Sessel über den Teppichboden und setzte sich ihr gegenüber hin. Sie starrte weiterhin schweigend und reglos wie eine Statue aus dem Fenster.
»Ich glaube, ich schulde dir eine Erklärung«, begann er. Ihr anhaltendes Schweigen fing an, ihn nervös zu machen. »Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, dass du … Es war für dich noch nicht an der Zeit, weißt du? Wir dachten, dass du noch einige Tage hast … Ich dachte, ich hätte mehr Zeit, mit dir über alles zu sprechen. Ich wollte dir nur zeigen, wie ich …« Er hielt inne und fuhr sich mit einer Hand durch seine dichten Haare. Im Grunde wusste er nicht, wie er weiterreden sollte.
Jenna warf ihm einen langen, kühlen Blick zu, der jegliche Art von höflichem Geplänkel zwischen ihnen vom Tisch fegte. »Wozu bin ich noch in der Lage?«, wollte sie wissen. Sie klang kühl und kontrolliert. Anklagend.
Ihr verändertes Verhalten überraschte ihn. Bis gerade eben hatte sie noch weich und fügsam in seinen Armen gelegen, sie hatte ihn so leidenschaftlich geküsst, dass er das Gefühl hatte, dahinschmelzen zu müssen. Er konnte sie noch immer auf seiner Zunge schmecken. Doch jetzt saß sie aufrecht wie ein Soldat in ihrem Sessel und starrte ihn kalt und beschuldigend an.
»Das weiß ich noch nicht. Ich bin mir nicht ganz sicher, wozu du alles in der Lage …«
»Aber du hast eine Ahnung?«, unterbrach sie ihn. Ihre Stimme
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