Nachtjaeger
raste, während sein Blick über diesen vollkommenen Knöchel wanderte, hinauf zur Wade, dem Knie und dem Schenkel, der ihm in seiner Erinnerung und aus seinen erotischen, sehnsüchtigen Träumen so vertraut war – Träume, die ihn jede Nacht wie ein schleichendes Gift erfassten und ihn bis zum Morgen nicht mehr losließen.
Sie gehört mir, dachte er gierig. Die Worte fluteten mit einem Anflug von Verzweiflung durch seinen Körper. Ihre Augen fanden die seinen, und ihr Lächeln wurde eindeutig aufreizend.
Christian atmete zischend aus. Er klang verblüfft, und das brach den Zauber.
Leander schritt durch den noch immer schweigenden Ballsaal. Langsam kehrte das Blut in seine Wangen zurück. Die Gäste traten beiseite, um ihn durchzulassen. Er blieb kurz vor Jenna stehen, nahe genug, um ihr feines Parfüm aus frischer Luft und Winterrosen wahrzunehmen, nahe genug, um die Hand auszustrecken und ihr über den Arm zu streichen. Es bedurfte all seiner Konzentration, sich davon abzuhalten, sie zu berühren. Stattdessen verneigte er sich leicht vor ihr. »Jenna«, sagte er geschmeidig und leichthin. »Du hast also beschlossen, herunterzukommen. Es freut mich, dich zu sehen.«
Sie schürzte die Lippen. Für einen Moment lang schien ein Schatten über ihr Gesicht zu huschen, der jedoch sogleich wieder verschwand. Sie bewahrte ihre Haltung, indem sie den Kopf zurückwarf. »Ich versäume ungern eine Party«, sagte sie in einem ebenso leichten Tonfall. Sie musterte ihn ausdruckslos, das Kinn angehoben. »Außerdem hat mich meine erzwungene Einsamkeit allmählich gelangweilt.«
Jemand trat zu ihnen. Doch Leander war nicht in der Lage, den Blick von Jenna zu wenden.
Sie war in Sicherheit. Sie war hier, sie stand scheinbar unbeschwert und wunderschön vor ihm, und wieder war es ihr offenbar gelungen, sich an den Wachen vorbeizuschmuggeln. Sie wirkte unverletzt – mehr als unverletzt: Sie wirkte auf wunderbare Weise leuchtend. Und auf seltsame Weise selbstbewusst. Tollkühn, wenn er es genau bedachte, hinsichtlich der augenblicklichen Situation.
Er merkte, dass sich alle Augen im Raum brennend in seinen Rücken bohrten.
Doch Jenna blieb so, wie sie war, als ob sie durch eine Scheibe Glas von den anderen getrennt wäre: gelassen, unerschütterlich, als hielte sie sich selbst für nichts anderes als eine Kuriosität in einer Vitrine, wie ein Schrumpfkopf, den man aus den tiefsten Wäldern Amazoniens mitgebracht hatte und nun für alle sichtbar ausstellte.
Er sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Pass auf, meine Liebe«, sagte er in zärtlichem Tonfall. »Sie suchen alle nach einem Grund, dich einzusperren und den Schlüssel wegzuwerfen. Gib ihnen also keinen Anlass dazu.«
Jenna zog ebenfalls eine Augenbraue hoch und wirkte jetzt so kühl und hochmütig wie Kleopatra vor den Römern. »Sie? Und du nicht, Leander?«
Gegen seinen Willen musste er lächeln. »Ich habe andere Gründe, da kannst du dir sicher sein«, murmelte er. Er blickte ihr eine halbe Ewigkeit in die Augen und versuchte, sie dazu zu bringen, auf ihn zu reagieren, ihm irgendeinen Hinweis zu geben, dass sie etwas für ihn empfand.
Aber natürlich bedachte sie ihn mit nichts anderem als einem kühlen Lächeln, ehe sie ihm ihr perfektes Profil zuwandte, um mit derjenigen zu sprechen, die neben ihm stand.
»Jenna.« Morgan befand sich direkt neben Leanders Ellenbogen. »Du siehst hinreißend aus.« Leander bemerkte, dass die beiden Frauen ein wissendes Lächeln austauschten.
»Das ist mein Lieblingskleid geworden«, erklärte Jenna leichthin. Sie strich mit der Hand über die Schichten aus gerüschter Seide, die sich unter dem Mieder befanden, genau unterhalb der Rundung ihrer Brüste. »Bisher war Rot nie mein Favorit, aber dieses Kleid … Es sitzt wirklich perfekt.« Sie warf Leander einen Seitenblick zu, und ihr Lächeln wurde beinahe unmerklich wärmer. »Aus irgendeinem seltsamen Grund gefällt es mir besonders gut.«
»Darf ich dir etwas zu trinken holen?«, fragte Morgan ehrerbietig.
»Vielleicht ein Glas Champagner?«, erwiderte Jenna noch immer lächelnd. »Das scheint irgendwie passend zu sein, findest du nicht?«
Morgan nickte. Sie presste die Lippen aufeinander und schwebte dann auf einen Kellner zu.
»Ihr beide scheint ja inzwischen beste Freundinnen zu sein«, bemerkte Leander, während er Morgan hinterhersah. Irgendetwas stimmte hier nicht, aber er vermochte nicht den Finger daraufzulegen. Jenna und Morgan wirkten seltsam vertraut
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