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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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erbringen, dass sie eine Ikati war. Sie würde zeigen müssen, dass sie ihre Gestalt wandeln konnte – und damit, dass sie auf ihrer Seite und nicht der des Feindes stand.
    Bisher war Leander der Einzige gewesen, der miterlebt hatte, wie sie sich in Nebel verwandelt hatte. In diesen schwierigen Zeiten reichte sein Wort allein nicht mehr, um die anderen davon zu überzeugen, dass Jenna tatsächlich eine von ihnen war.
    »Wir wissen nicht, wie sie denkt, Leander«, hatte der Alpha der Manaus-Kolonie erklärt. »Sie bleibt eine Gefahr für uns, bis wir den Beweis haben, dass sie es nicht ist.«
    Auch ihm hätte Leander am liebsten den Hals umgedreht.
    Sein Blick wanderte durch den Ballsaal, bis er auf Morgan fiel, die am anderen Ende des Raums stand. Sie war blass und lehnte kerzengerade mit dem Rücken an einer Alabastersäule. Zur Abwechslung trug sie ein ungewöhnlich keusches Kleid aus schlichtem, elfenbeinfarbenem Satin. Sie wirkte so, als wäre sie auf der Hut, aber er spürte ihr Hochgefühl.
    Leander runzelte die Stirn. Morgan war ihm in den vergangenen Tagen merkwürdig anders erschienen. Nur die Planung dieser hastig auf die Beine gestellten Dinnerparty hatte sie – etwas – aus ihrer seltsamen Aufregung gerissen. Während der Zusammenkunft des Rats hatte sie geschwiegen und nichts als eine rätselhafte Miene zur Schau gestellt, als die anderen erhitzt darüber diskutierten, was mit Jenna geschehen sollte. Auch jetzt wirkte ihr Gesicht undurchdringlich.
    Sie wandte den Kopf und merkte, dass Leander sie beobachtete. Mit einem Mona-Lisa-Lächeln, das sie nur einen ihrer Mundwinkel heben ließ, legte sie zwei Finger an ihre Stirn und senkte grüßend den Kopf.
    Leanders Stirnrunzeln verstärkte sich. Doch das laute Lachen eines Mannes in seiner Nähe lenkte ihn ab. Er sah woandershin und fuhr sich mit einem Finger unter den steifen Kragen seines Hemds, um ihn von seiner erhitzten Haut zu ziehen. Der Ballsaal war nicht nur überfüllt, sondern auch zu stark geheizt.
    Der Rat der Alpha sollte sich am selben Abend um zehn Uhr nach dem Dinner treffen. Nach dem – unbeschreiblich dummen – Tanz. Das Kammerorchester spielte bereits jetzt in einer Loge oberhalb des Ballsaals. Sie musizierten auf Violinen und Hörnern unter den entzündeten Kerzen der Kronleuchter, die alles in ein unwirkliches Licht tauchten. Durch die hohen Fenster schien der Mond und verstärkte noch die bleiche Atmosphäre.
    Ein finster dreinblickender Christian trat neben Leander. Er trug einen perfekt geschnittenen Smoking und ein italienisches Seidenhemd. In der Linken hielt er ein großes Glas mit Single-Malt-Whiskey.
    Leander wusste, dass es bereits sein vierter Whiskey an diesem Abend war. Er hatte Christian nach Morgans Kommentar in der Ostbibliothek genau beobachtet. Der Kommentar, der eine schreckliche, brennende Eifersucht in ihm ausgelöst hatte. Der Kommentar, der ihn so wütend machte, dass er beinahe sprachlos gewesen war.
    Noch nie zuvor war er mit seinem Bruder in Wettstreit getreten. Auch jetzt wollte er es nicht. Doch in einer dunklen Ecke seines Herzens ahnte er, dass es genau das war, was sie beide gerade miteinander ausfochten – wenn auch schweigend und ohne es direkt auszusprechen. Er vermochte kaum die quälende Pein zu beschreiben, die ihm das einbrachte. Es war sowohl für ihn als auch für Christian eine Bedrohung ihrer brüderlichen Beziehung. Leander hegte noch einen anderen Verdacht, den er jedoch kaum vor sich selbst auszusprechen wagte. Er befürchtete, sonst die Büchse der Pandora zu öffnen und das selbstsüchtige, böse Tier in sich zu befreien, das ausschließlich an sich dachte.
    Der Verdacht war folgender: Ganz gleich, wie viel Leid es für sie beide auch bedeuten würde, Leander plante alles zu unternehmen, um Jenna für sich zu gewinnen.
    Alles – einschließlich die Aufgabe seiner familiären Verbindungen und das Brechen jedes Gesetzes, das ihn an die Ikati band.
    »Wie immer die üblichen Verdächtigen«, sagte Christian trocken. Er führte das Glas an seine Lippen und trank die bernsteinfarbene Flüssigkeit in einem Schluck. Er senkte den Arm und bedeutete dann einem Kellner, der in der Nähe stand, das Glas noch einmal zu füllen. »Ich glaube, unser Freund Alejandro da drüben wird dich später zu einem Duell herausfordern.«
    Alejandro, der Alpha von Manaus, Brasilien, der sich Jenna gegenüber so misstrauisch gezeigt hatte, funkelte Leander finster an. Er stand in einer Gruppe von Frauen, die wie

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