Nachtkalt: Psychothriller (German Edition)
Kellertür auf, machte einen Schritt zurück und blickte die Treppe hinunter. Auch hier war nichts als Dunkelheit. Anja betätigte den Lichtschalter und stieg langsam die alte Holztreppe hinunter, durchsuchte jeden der drei Kellerräume und zweifelte langsam daran, dass es dieses Geräusch überhaupt gegeben hatte. Auf ihre eigenen Nerven schimpfend, ging sie wieder hinauf, trat aus der Kellertür und sah etwas im Augenwinkel. Ein Reflex sorgte dafür, dass ihre Hand mit dem Schüreisen einen Bogen beschrieb und am Ende ihr Ziel traf. Es folgte erst ein Schrei, dann ein Fluch und endlich sah sie ihn. Florian war an die nächste Wand zurückgewichen und hielt sich seinen blutenden Unterarm. Ein Stück hinter ihm stand Gerald und sah sie mit seinem gewohnt ausdruckslosen Gesichtsausdruck an.
Anja brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, konnte den hysterischen Anfall aber nicht aufhalten. Statt Florian zu helfen, begann sie die beiden anzuschreien.
Florian wartete, bis ihre Wut etwas abgeflaut war, ging dann zu ihr, legte seinen gesunden Arm um ihren Hals und zog sie vorsichtig an seine Brust. Nachdem ihre Aufregung weniger wurde, fragte er leise: »Was ist denn passiert?« Anja ließ die Eisenstange fallen, umklammerte ihren Freund und erwiderte schluchzend: »Ich dachte ... ich dachte, dieser Irre ist im Haus.«
Dann löste sie sich von ihm, wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht und sagte, immer noch schniefend: »Das mit deinem Arm tut mir leid. Komm mit in die Küche, ich mache dir einen Verband drüber.« Anschließend sah sie ihren Bruder an und wiederholte noch einmal ruhiger das, was sie ihm während ihres Anfalls entgegengebrüllt hatte: »Gerald, du darfst niemanden in das Haus lassen, auch nicht wenn du denjenigen kennst. Hast du das jetzt begriffen?«
Gerald machte einige letzte Zuckungen, die er immer hatte, wenn er beschuldigt wurde, sagte dann aber tatsächlich: »Gerald macht jetzt nichts mehr Schlimmes.« Nun schaffte Anja sogar ein Lächeln, ging zu ihm und nahm ihn kurz in den Arm: »Ist o. k., du bist der beste Bruder, den man haben kann.«
Auch wenn Florians Wunde stark blutete, stellte sie sich nur als ein Kratzer heraus, für den ein großes Pflaster genügte. Nachdem Anja ihn versorgt hatte, kontrollierte Florian noch einmal das ganze Haus, fand aber nur Anjas verstreute Klamotten und keinen Hinweis darauf, dass jemand hier gewesen sein könnte. Da er der Annahme war, dass Gerald die Kleidungsstücke in Anjas Zimmer herumgeworfen hatte, und er nicht wollte, dass dieser schon wieder Ärger bekam, sammelte er alles ein und legte es zurück auf den Haufen Schmutzwäsche.
Wieder unten angekommen, hatte sich Anja wieder etwas angezogen und bereits den Tisch gedeckt. Während sie das Abendbrot zu sich nahmen, erzählte sie ihm, was in der Gerichtsmedizin und der Drogerie vorgefallen war.
Florian kaute zu Ende und fragte dann: »Und das alles reicht nicht, damit man dir glaubt?«
Anja schüttelte den Kopf: »Nein, ganz im Gegenteil. Jetzt glaubt mir keiner mehr, da ich ja eine böse Taschendiebin bin.«
»Und was ist mit diesem Privatdetektiv, von dem du mir erzählt hast? Hast du vor, ihn anzurufen?«
Anja sah einige Sekunden in den dunklen Garten hinaus, schüttelte abermals den Kopf und antwortete: »Nein, ich warte noch ab. Vielleicht hat dieser Irre ja irgendwann genug und hört einfach wieder auf.« Nun legte sie ihre Hand auf die von Florian und lächelte ihn an: »Außerdem habe ich einen starken Beschützer, der einen Grund braucht, um die Nächte hier zu verbringen.«
Gerald sah zwar kurz von seinem Teller auf, schien aber nicht begriffen zu haben, was seine Schwester mit dieser Andeutung gemeint hatte. Um Florians Mund legte sich dagegen ein sanftes Lächeln und statt einer Antwort strich er sanft über ihren Handrücken, was in Anja ein leichtes Ziehen auslöste.
Zwei Stunden später schickte Anja ihren Bruder ins Bett, trank noch ein Glas Wein mit Florian und bat ihn dann, sich mit ihr hinauf ins Bett zu legen, worauf er fragte: »War dir das Sofa zu eng?«
Sie wusste, worauf er anspielte, antworte aber ernst und müde: »Ich brauche einfach etwas Schlaf und deine Nähe. Dieser Irre, der Unfall meiner Mutter und dann noch Gerald, es ist alles ganz schön viel im Moment.« Sie schwieg eine Weile, bevor sie wehmütig sagte: »Ich wünschte, wir hätten uns zu einer anderen Zeit kennengelernt. Ich würde das mit uns gerne unbeschwert
Weitere Kostenlose Bücher