Nachtkalt: Psychothriller (German Edition)
zuvor in der rechten Hand versteckt gehalten hatte. Wäre der Knebel nicht gewesen, hätte man ihre Schreie sicher noch draußen auf der Straße gehört, so aber war es nur ein dumpfes Geräusch, welches ihn ungemein erregte. Als Frau Dr. Bernau merkte, dass ihr Schreien nichts brachte, versuchte sie aus der Wanne zu kommen, was die nach hinten gebundenen Hände jedoch unmöglich machten. Immer und immer wieder verloren ihre Füße in dem Seifenwasser den Halt und jedes Mal rutschte ihr Kopf ein Stück unter Wasser, welches ihr hektischer Atem ansaugte.
Er wartete ab, bis sie ihren Widerstand hustend aufgegeben hatte, stieg zu ihr in die Wanne und setzte sich auf ihre Füße. Jetzt, fast völlig fixiert, starrte sie ihn aus weit aufgerissenen Augen an und schüttelte fassungslos den Kopf. Doch er kauerte einfach nur da, genoss das Gefühl der Macht und freute sich auf den Augenblick, wenn ihre nackte Haut unter der seinen langsam kalt werden würde. Dann warf er einen Blick auf seine Uhr und sagte emotionslos: »Jetzt haben wir nur noch 90 Minuten für etwas Spaß miteinander.« Dann nahm er das Skalpell und begann mit seinem Werk.
18
Schon während der Heimfahrt fühlte sich Anja irgendwie beschmutzt. Dieser Irre war ihr in der Drogerie so nahe gekommen, dass er ihr etwas zustecken konnte, und vielleicht hatte er sie sogar berührt. Als sie mit Gerald endlich zurück im Haus war, konnte sie nicht anders, sie musste so schnell wie möglich unter die Dusche.
Kaum dass die Haustür geschlossen hatte, fragte sie ihren Bruder: »Kommst du kurz alleine klar?« Und als dieser nickte, fügte sie noch hinzu: »Falls etwas sein sollte, ich bin jetzt eine Weile im Badezimmer.«
Bevor Anja die Treppe hoch stieg, warf sie noch einen Blick in das Wohnzimmer und die Küche, aber alles sah normal aus. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass sich jemand Zugang verschafft haben könnte. Dann dachte sie eine Sekunde darüber nach, auch den Keller zu kontrollieren, beschloss aber, es bleiben zu lassen. Anschließend ging sie hinauf ins Bad, zog sich aus und wollte gerade unter die Dusche steigen, als lautstark eine Tür ins Schloss fiel.
»Gerald?«, fragte sie laut durch die geschlossene Tür, bekam aber keine Antwort. Statt sich wieder anzuziehen, wickelte sie das große Badehandtuch um ihren Körper, schloss die Tür auf und steckte den Kopf hinaus. Rechts von ihr klapperte Gerald mit irgendetwas in seinem Zimmer herum und der untere Flur lag im Dunkeln. Wieder rief sie den Namen ihres Bruders, der kurz darauf aus seinem Zimmer kam, angesichts ihrer knappen Verhüllung aber sofort genant zur Seite blickte.
Ohne darauf einzugehen, fragte sie: »Hast du eben eine Tür zugeschmissen?«
Gerald vermied es immer noch sie anzusehen, schüttelte aber hektisch den Kopf und stammelte: »Nein nein nein ... Gerald ganz leise!«
Anja kannte ihn gut genug, um das zu glauben, bekam allerdings augenblicklich weiche Knie. Mit dem Versuch, ruhig zu klingen, wies sie ihn an, zurück in sein Zimmer zu gehen und folgte dann selbst den Stufen, die hinunterführten. Schon auf der halben Treppe sah sie die Kellertür ein Stück offen stehen, war sich aber hundertprozentig sicher, dass diese vorher geschlossen war.
Der Lichtschalter für den Flur war nur knapp neben der Kellertür angebracht, aber sie musste es wagen. So leise wie möglich überwand sie die letzten Stufen, betätigte den Schalter und ging fast gleichzeitig wieder zwei Stufen rückwärts nach oben. Geräuschlos flammten die etwas zu schwachen Glühbirnen in den beiden Deckenleuchten auf, doch es war niemand zu sehen. Nun stand Anja vor der Wahl, entweder erst den Keller oder noch einmal das Wohnzimmer zu inspizieren. Um im Zweifelsfall etwas Vorsprung zu haben, drückte sie die Kellertür leise in ihr Schloss zurück. Abschließen konnte sie diese leider nicht, da der Schlüssel schon vor Ewigkeiten verschwunden war. Anschließend überwand sie die zwei Schritte bis zu der offenen Küchentür, stellte sich seitlich davon an die Wand und warf einen schnellen Blick hinein. Nichts! Sie betrat die Küche, wiederholte das Spiel an dem Durchgang zum Wohnzimmer, doch auch hier sah alles wie immer aus.
Immer noch schleichend, durchquerte sie den Raum, zog leise das Schüreisen aus seiner Halterung neben dem offenen Kamin und ging zurück zum Flur. Nachdem sie einige Sekunden innegehalten hatte, aber absolut nichts, außer den Geräuschen, die das Haus machte, gehört hatte, riss sie die
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