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Nachtklinge: Roman (German Edition)

Nachtklinge: Roman (German Edition)

Titel: Nachtklinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Courtenay Grimwood
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Fischerboote würden ihre Netze in der Lagune auswerfen. Schmuggler würden ihre Waren in dunklen Nebenkanälen an den Mann bringen, wohl wissend, dass die Wache bestochen oder mit anderen Mitteln zum Wegsehen gezwungen worden war.
    So war Venedig.
    Vielleicht würde es immer so bleiben.
    Obwohl es Tycho nicht gelang, Atilos Tod aufrichtig zu betrauern, verspürte er doch, zu seiner eigenen Überraschung, ein leises Bedauern darüber. Was Desdaio betraf, so trauerte er um sie und hasste sie, weil er sie nicht hatte retten dürfen, auch wenn er ihre Gründe dafür verstand.
    »T-Tycho?«, sagte der Doge auffordernd.
    Iacopos Eifersucht und seine eigene Nachlässigkeit hatten zu ihrem Tod geführt. Er wusste nicht recht, was er mehr verachtete. Mit ein paar Schritten stand er vor Iacopo und streckte ihn mit einem Schlag zu Boden. »Du hast Desdaio auf dem Gewissen.«
    Die neue Klinge erhob sich.
    »Deine Hände haben sie erwürgt und dein Schwert steckt zwischen ihren Rippen. Du hast Atilo dazu gebracht, sie zu töten«, stieß Tycho hervor.
    »Dieser Mord wurde von Fremden begangen.« Alonzo warf Alexa einen drohenden Blick zu. Sie nickte. Desdaio und Marco waren von Kindesbeinen an Freunde gewesen. Sie hatte früher einmal auf eine Heirat gehofft. In diesem Moment wollte sie auf jeden Fall verhindern, dass Marco die Fassung verlor.
    »Du kannst gegen mich kämpfen«, sagte Tycho. »Oder ich kann dich hier und jetzt erledigen.«
    »Ein D-Duell?«
    Zu Marco gewandt verneigte sich Tycho stumm.
    »Ein Duell unter Gleichen.« Der Doge lächelte. »Und mein kluger Onkel hat es möglich gemacht.« Da begriff Tycho, dass Marco von Anfang an genau das vorgehabt hatte.

37
    D ie Nachricht von Prinzessin Giulietta war äußerst knapp.
Hast du sie geliebt?
Tycho gelang es nicht, sich vorzustellen, wie die Millioni-Prinzessin diese Worte aussprach. Es gelang ihm auch nicht, zwischen den Zeilen zu lesen. Er war eine Stunde lang versucht, das Schreiben zu ignorieren.
    Schließlich beschloss er, doch zu antworten, und rang eine weitere Stunde lang mit der passenden Antwort. Es war so einfach gewesen, Iacopo herauszufordern. Die knappe Nachricht eines Mädchens zu beantworten, das ihn hasste, überforderte ihn jedoch. Zuletzt entschied er sich für die Wahrheit und hielt sie in vier sorgfältig abgewogenen Worten fest. Er verdankte es Desdaio, überhaupt schreiben zu können.
Sie hat mich geliebt.
    Es war eine schwierige, unerfüllte Liebe gewesen. Die Liebe einer jungen Frau, die mit einem älteren Mann verlobt war, zu dessen Sklaven, der fast so alt war wie sie. Sie hatte ihre Juwelen für ihn gegeben. Ihre Scham überwunden, um ihn auf dem Sklavenmarkt in Limassol freizukaufen, als er gefesselt und geschwächt war, ehe man ihn an einen Bordellbesitzer verkaufen konnte.
    Sie war seine beste Freundin gewesen.
    Iacopo hatte den Tod verdient.
    Tycho öffnete noch einen Krug seines besten Weins und trank ihn langsam, während die Stunden vergingen. Wie erwartet kehrte der Bote, den er in die Ca’ Friedland geschickt hatte, ohne Antwort zurück. Er schärfte sein Schwert, seine Dolche und verwarf dann den Einfall, die Brustplatte anzulegen, die er erstanden, aber noch nie benutzt hatte.
    Er würde ohne Rüstung kämpfen.
    Genauso empfand er für Giulietta, dachte Tycho plötzlich. Er kämpfte ohne Rüstung mit ihr und stellte immer erst später fest, wie schwer sie ihn verwundet hatte.
     
    Der Regent und Herr Iacopo trafen gleichzeitig am Ort des Duells ein. Es fand auf einem heruntergekommenen Platz hinter dem Arsenal statt, kurz vor der Brücke zur Insel San Pietro, dem Sitz des venezianischen Patriarchen.
    Die beiden Männer befanden sich in Begleitung Graf Roderigos, seines halbmongolischen Wachtmeisters und einem halben Dutzend Wachleuten der Zollbehörde, die Fackeln trugen. Die Wachleute hatten Armbrüste, nur Wachtmeister Temujin trug ein Krummschwert. Iacopos Brustplatte glänzte im Schein der Fackeln, und er war sichtlich stolz auf seinen Helm im offenen, florentinischen Stil. Dass Graf Roderigo und seine Leute den Regenten und Iacopo begleiteten, machte deutlich, auf wessen Seite sie standen.
    Alonzo ließ eine Bemerkung fallen, und Iacopo lachte.
    Der Turm der Kirche war eingestürzt, die Brunneneinfassung zerbrochen, Schweine hatten die Pflastersteine aufgewühlt, wie es auf allen verlassenen Plätzen der Fall war. Tycho gab Alonzo und Iacopo genügend Zeit, um sich davon zu überzeugen, dass dies kein Hinterhalt war.

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