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Nachtklinge: Roman (German Edition)

Nachtklinge: Roman (German Edition)

Titel: Nachtklinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Courtenay Grimwood
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abgewandt.
    Ich darf mich nicht umdrehen.
    »Nehmt den Mann fest!«, rief Alonzo.
    Graf Roderigo trat heran, hielt aber inne, als Tycho das Schwert hob. Tychos Blick ließ ihn erstarren. Nur Tycho selbst wusste, dass der köstliche Blutgeruch seines sterbenden Gegners ihn beinahe überwältigte. Er konnte sich nur mit knapper Not beherrschen.
    Vor Gier und Unentschlossenheit blieb er wie gelähmt stehen.
    »Nehmt auch seinen Lustknaben fest.«
    »Alonzo!«
    «Was?«
    »Das ist nicht nötig.«
    »Darüber entscheidet das Gericht.«
    »Nein, nicht in diesem Punkt«, erklärte Alexa mit Nachdruck. »Ich nehme den Jungen mit. Er steht unter meinem Schutz«, fügte sie zur Sicherheit hinzu.
    »Verdammt nochmal, Frau …« Alonzo packte sein Schwert und ließ seine Wut an Roderigo aus. »Was ist los? Habt Ihr etwa Angst, ihn festzunehmen?«
    Zögernd trat Roderigo vor.
    Unverhofft löste der mongolische Wachtmeister den Zwiespalt seines Herrn und nickte seinen Männern zu. Sie legten Pfeile in die Armbrüste und richteten die Geschosse auf Tycho.
    »Du hast die Wahl«, sagte Temujin.
    Als Tycho das Schwert senkte, wirkte Roderigo erleichtert und Alonzo enttäuscht. »Dafür kommst du vor Gericht«, blaffte er.
    »Was werft Ihr mir vor?«
    »Du hast einen Mann getötet, obwohl er sich ergeben hat. Der Kampf ging auf Leben und Tod, es sei denn, einer der Gegner gibt auf.«
    »Ich habe nichts gehört.«
    Alonzo lief puterrot an. »Du hast ihn ermordet.«
    »Darüber entscheidet das Gericht«, warf die Dogaressa mit ruhiger Stimme ein.
    »Sein Ritterstand wird ihm aberkannt und sein Haus in San Aponal fällt an Venedig zurück.« Alonzo funkelte seine Schwägerin drohend an.
    Sie nickte widerstrebend.
    »Wir beide sollten uns außerdem überlegen, ob wir die Angelegenheit wirklich vor Gericht bringen«, fügte Alonzo hinzu. Tycho fragte sich, ob er als Einziger die Morddrohung aus diesem Satz heraushörte. »Graf Roderigo kümmert sich um Iacopos Begräbnis. Sein Mongole bringt den Sklaven in den Kerker.«

38
    I n den Augen Temujins erblickte Tycho die Wüsten und schneebedeckten Bergspitzen, nach denen sich der Wachtmeister sehnte, ohne es selbst recht zu wissen. Er spürte auch Temujins versteckte Furcht, einer Bestie Auge in Auge gegenüberzustehen.
    »Ihr wisst, was ich bin?«
    Temujin nickte widerstrebend.
    »Ihr habt damals auf dem Schiff recht gehabt«, sagte Tycho, »Roderigo hätte mich töten sollen. Ich kann mich noch genau an Eure Worte erinnern: Der Khan hat einmal ein Wesen wie mich besessen, und es hat ihn getötet.«
    Der Platz lag verwaist da, die anderen waren bereits aufgebrochen.
    Der Regent, der Tychos Abscheu vor Wasser kannte, hatte angeordnet, ihn per Boot zum Verlies der Schwarzkreuzler zu transportieren. Das nahm zwar mehr Zeit in Anspruch, schloss eine Flucht des Gefangenen aber aus.
    Tychos Hände wurden mit Seilen auf seinem Rücken gebunden.
    Wachtmeister Temujin hatte einen Sack gefunden, in dem zuvor getrockneter Fisch aufbewahrt worden war, und stülpte ihn über Tychos Kopf. Der Halbmongole wollte kein Risiko eingehen. Der behäbige Kahn lag abfahrbereit am Kanalufer.
    »Wenn Ihr verhindern wollt, dass ich mich in einen Dämon verwandle, lasst mich auf einem Sack voller Erde sitzen«, sagte Tycho.
    »Warum willst du mir helfen?«
    »Die Verwandlung ist schmerzhaft«, sagte Tycho. »Die Knochen splittern, Haut und Muskeln zerreißen …«
    Die Wachleute bekreuzigten sich hastig.
    »Los, macht, was er sagt«, befahl Temujin. »Außerdem brauche ich einen neuen Sack für seinen Kopf.«
    »Es war schon schwierig genug, den hier aufzutreiben.«
    »Mach dich gefälligst auf die Suche.«
    Murrend verschwand ein Wachmann in einem der baufälligen Häuser. Nach einer Weile kehrte er mit leeren Händen zurück und erklärte, diese Gegend sei so arm, dass es hier nicht einmal Abfall, geschweige denn leere Säcke gebe.
    »Wenn er entwischt, trägst du die Verantwortung«, gab Temujin zurück.
     
    Nur einmal drohten die schwarzen Wellen in das Boot zu schwappen. Tycho drehte den Rücken in die Gischt, während Temujins Männer das Boot fluchend durch den Wind steuerten.
    Schließlich bogen sie in den breiten Kanal ein, der Castello von Cannaregio trennte. An einem Haus, das sich wie ein spitzer Bug vorwölbte, gabelten sich zwei Kanäle. Sie lenkten das Boot in den breiteren und legten wenig später an.
    »Mir nach«, sagte Temujin. Wäre der letzte Wachmann aufmerksamer gewesen, hätte er bemerkt, wie

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