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Nachtklinge: Roman (German Edition)

Nachtklinge: Roman (German Edition)

Titel: Nachtklinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Courtenay Grimwood
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legte eine kurze Pause ein, als erwarte er Alexas Widerspruch. Als sie schwieg, nickte er. Vermutlich, dachte Tycho, wusste Alexa genau, dass der Regent sie wie ein Pferd am Zügel nehmen und vor die Hürden führen wollte. Jedes neue Hindernis würde das vorhergehende an Höhe übertreffen.
    »Das bedeutet, unsere Entscheidung muss sofort fallen.«
    Alexa schwieg und bedeutete Alonzo mit einem lässigen Handwedeln fortzufahren. Er lief vor Ärger rot an.
    »In Venedig gibt es nur noch ein Mitglied der Assassinen.«
    Alexa warf einen Blick auf Tycho.
    »Nein«, erklärte der Regent prompt. »Tycho ist kein Assassine. Er hat damals die Prüfung nicht bestanden und wurde ausgeschlossen. Es gibt Mitglieder der Klinge in Konstantinopel, Wien und Cordoba. Eine ehemalige nubische Sklavin hat sich nach Norden begeben, um einen Auftrag auszuführen, aber Sklaven haben sich in letzter Zeit als unzuverlässig erwiesen. In Venedig befindet sich derzeit nur ein Mitglied der Assassinen. « Alonzo lächelte. »Die Wahl ist daher recht einfach.«
    »Durchlaucht!«,
hauchte Iacopo.
    »Alonzo, darüber sollten wir noch diskutieren«, meldete sich die Dogaressa jetzt zu Wort.
    »Was gibt es da zu diskutieren? Wir brauchen eine Klinge, und zwar sofort. Der einzige Kandidat, der dafür infrage kommt, steht vor uns. Sein Vater starb als freier Ruderer auf einer unserer Galeeren im Kampf für Venedig. Seine mangelnde Erfahrung ist keine Entschuldigung, um die Hände in den Schoß zu legen.«
    »Herr Tycho …«, setzte Alexa an.
    »Ist, wie gesagt, kein Assassine.«
    »Wir verdanken ihm den Sieg über die Mamelucken.«
    »So heißt es. Aber wie genau hat er die Mamelucken besiegt? Wie soll
so einer
eine ganze Flotte besiegen? Nein, dieser Verdienst gebührt einzig und allein Graf Atilo, dem Admiral deines verstorbenen Gatten.«
    Marco hörte auf, mit den Füßen zu trommeln.
    »Dann s-sind wir fertig?«, fragte er.
    Damit stand er auf, schob sich eine Handvoll gesüßter Mandeln in den Mund, leerte die winzige Teetasse seiner Mutter und schwankte in Richtung Tür.
    »Marco!«
    »F-fertig!«, protestierte er und musste von Alexa wieder zum Thron geleitet werden.
    »Du bestehst auf Iacopo?«
    »Ich dachte, das käme dir entgegen. Er war immerhin der Diener deines … alten Freundes. Die beiden haben eng zusammengearbeitet und Iacopo hatte Einblick in die Methoden des Grafen. Außerdem brauchen wir eine verlässliche Klinge, ohne Wenn und Aber …«
    Die Klinge war ein Teil der Regierung, nicht anders als der Große Rat, die Signoria und der Rat der Zehn. Ein Symbol wie der
bucintoro,
das Prachtschiff des Dogen, das Banner von San Marco oder der Ring, mit dem der Doge die traditionelle Vermählung mit dem Meer vollzog.
    »Er ist kein Adeliger«, wandte Alexa ein.
    »Er ist gebürtiger Venezianer. Dieses Problem lässt sich außerdem schnell lösen.«
    Alonzo ging zum Kamin und streckte die Hand nach dem mächtigen Zierschwert aus, das dort hing.
    Er wandte sich zu Iacopo und befahl: »Knie nieder.«
    Als Tycho die Hinterhältigkeit und falsche Bescheidenheit auf Iacopos Miene sah, packte ihn überwältigender Hass. Iacopo hatte Atilos Blick so sehr getrübt, dass der Graf seine Verlobte getötet hatte.
    »Erhebt Euch, Herr Iacopo.«
    Iacopo verneigte sich tief vor dem Thron.
    Tycho verabscheute sein durchtriebenes Lächeln. Er sah auf und bemerkte, dass Marco ihn anstarrte.
    »T-tycho.«
    Zuerst glaubte er, der Doge habe ihn angesprochen, dann begriff er, dass Marco über ihn sprach. Es war fast unmöglich, das Gestotter des Dogen zu verstehen, der vor Wut über seine eigene Ungeschicklichkeit immer wieder mit der Faust auf die Thronlehne schlug. Die Geste wirkte einstudiert auf Tycho. Bekanntlich war der Doge mal mehr, mal weniger bei Verstand. Tycho fragte sich, ob ihn sein Verstand wirklich so oft verließ, wie er allen weismachen wollte.
    »E-er h-hat w-w-was z-zu s-sagen.«
    »Ist das so?«
    Schwang da ein drohender Unterton in Alexas Frage mit? Alonzos finstere Miene war ganz bestimmt als Warnung gedacht. Iacopo beschränkte sich auf ein Feixen. Er war die Klinge, mit der Venedig seine Feinde in Schach hielt. Wie hätte Tycho ihm da schaden können?
    »Sie sind g-gleichgestellt?«
    »Das ist richtig«, erklärte Alonzo widerstrebend.
    Der Doge lächelte glücklich.
    Draußen krächzten Seemöwen, und das Wasser färbte sich dunkel, als die Sonne unterging. In einer Stunde brach der Abend herein und Tycho würde es bessergehen.

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