Nachtkrieger: Ewige Begierde
sie ihre Gebete beendet hat.«
»Mmm. Dann verzeiht, Vater.«
Der Verwalter war gerade dabei, auf dem Hof des Gutshauses die Arbeiter für den kommenden Tag in Gruppen einzuteilen. Ari blieb ein wenig abseits stehen, bis die Männer sich in Richtung ihrer Pflichten zerstreuten, und wartete einen Moment, während der Verwalter mit dem Stallmeister und dem Schmied sprach.
Nach einer ganzen Weile wandte sich der Verwalter ihm zu. »Ihr werdet nach dem Jungen sehen wollen.«
»Aye. Ich war überrascht festzustellen, dass er abgeholt worden ist.«
»Es geschah auf Wunsch der ehrwürdigen Mutter«, sagte der Verwalter, um mit diesen wenigen Worten klarzustellen, dass er niemals selbst auf einen derartigen Gedanken gekommen wäre. »Er ist im herrschaftlichen Gemach, wo er verhätschelt wird wie ein kleiner Lord. Der will sicher überhaupt nicht mehr gesund werden, bei all dem guten Essen, das sie ihm zukommen lässt. Geht nur hinauf. Er wird sich freuen, Euch zu sehen, da bin ich mir sicher.«
Ari ging hinauf und fand Robin mit ein paar Kissen im Rücken in einer Ecke des Zimmers, vor sich einen Vanillepudding. Er war so sehr damit beschäftigt, einigen Mägden zuzusehen, die in der anderen Ecke des Zimmers vor ihren Spinnrädern saßen, dass er seinen Besucher gar nicht bemerkte, bis Ari seinen Stiefel auf den Rand der Pritsche setzte. »Ich glaube, der Reeve hat recht.«
»Sir Ari! Guten Tag, Mylord. Ich hatte gehofft, Ihr würdet kommen. Priorin Celestria nahm mich mit, bevor ich Euch Auf Wiedersehen sagen konnte.« Robins Augenbrauen zogen sich zusammen. »Recht, womit?«
»Damit, dass du gar nicht mehr von hier fortmöchtest, wegen des guten Essens und der guten Pflege.« Ari warf einen prüfenden Blick auf Robins Umgebung und war zufrieden: Die Matratze roch nach frischem Heu und nicht nach altem Schweiß und Schimmel, und Robins verletztes Bein war mit neuen Schienen versehen, die mit sauberen Verbänden umwickelt waren. Vielleicht hatte das Ganze letzten Endes für den Jungen doch sein Gutes. »Wie geht es dir?«
»Gut, Mylord. Die Rückreise war wesentlich angenehmer als die Hinreise in den Wald hinein.«
»Die Aussicht hier ist es zweifellos auch.« Ari sah mit einem vielsagenden Blick hinüber zu den Spinnerinnen, von denen einige recht hübsch waren. »Die Köhler sind nette Leute, aber bei ihnen gibt es keine junge Dame, schon gar nicht so eine wie die hübsche Rothaarige da vorne.«
Robin musste lachen. »Wohl wahr, aber selbst die würde mich nicht hierhalten, wenn mein Bein schon verheilt wäre.«
»Du willst also hierbleiben?«
»Ehrlich gesagt, Mylord, nein. Aber ich habe ein schlechtes Gewissen den Köhlern gegenüber. Sie sind arme Leute, und jeden Bissen, den ich esse, muss einer von ihnen entbehren.«
Ari legte einen Finger an die Lippen, um dem Jungen zu signalisieren, er solle still sein. Dann senkte er die Stimme, so dass die Spinnerinnen ihn nicht hören konnten. »Du bist auch arm, Robin. Vergiss das nicht!«
Nach seiner Unterhaltung mit Steinarr in Retford hatte Ari Robin gesagt, dass die Wahrheit ans Licht gekommen war. Die Erleichterung des Jungen war beinahe rührend komisch gewesen, wäre sie nicht mit einer plötzlichen Redseligkeit einhergegangen. Es war ein Kunststück gewesen, ihn davon abzuhalten, sogleich alles den Köhlern zu erzählen.
Hier war diese Gefahr noch um einiges größer, mit Blick auf die Nonne und ihre Begleiter samt anderen Durchreisenden – von denen jeder mit Sir Guy in Verbindung hätte stehen können. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Spinnerinnen viel zu sehr in ihre eigenen Gespräche vertieft waren, als dass sie hätten lauschen können, gab Ari Robin ein paar sehr knappe und genaue Instruktionen dazu, wie er seine Identität geheim halten konnte.
»Vor allen Dingen musst du als Erstes den Kopf gebrauchen. Hier.« Er tippte sich an die Schläfe und zeigte dann auf seinen Mund. »Und
dann
hier. Nicht andersherum.«
»Jawohl, Mylord.«
»Und wie heißt deine Cousine?«
»Marian.«
»Immer, und ohne Versprecher. Ihretwegen und deinetwegen. Hier gibt es zu viele schwatzhafte Münder und doppelt so viele Ohren. Du willst doch nicht, dass jemand etwas ausplaudert, das Guy auf ihre Spur bringen könnte. Oder auf deine.«
Robins Gesichtsausdruck wurde ernst. »Nein, Mylord. Ich werde aufpassen.«
»Gut. Ich habe da ein Mühlebrett gesehen. Lass uns eine Partie spielen. Dann kannst du dich darin üben, den Bauernjungen zu mimen,
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