Nachtkrieger: Ewige Begierde
eine Vene zu öffnen.
»Schließt den Fensterladen und zieht die Vorhänge um die Pritsche herum zu, damit die Zugluft abgehalten wird«, wies Cwen die Mägde an. »Der Junge muss warm gehalten werden, damit sein Blut gut fließt.«
Als alles zu ihrer Zufriedenheit arrangiert war, schickte sie die Frauen hinaus und verriegelte die Tür, bevor sie die Schalen zu der Pritsche hinübertrug.
»Es dauert nicht lange«, sagte sie. Bereits schläfrig, drehte der Junge den Kopf zur Seite, und mit zwei rasch ausgeführten parallelen Schnitten öffnete sie die Vene an seinem Arm und schob die Schale darunter.
»Au.«
»Dein Blut fließt gut«, sagte sie, während sich die Schale allmählich füllte. Solch rotes Blut. Er war jung und gesund – und gleichermaßen jungfräulich, den Eindruck hatte sie jedenfalls gewonnen, als sie gesehen hatte, wie er sich den Dienstmägden gegenüber verhielt. Wie auch immer. Es war seine Verbindung zu dem Raben, auf die es ihr ankam, und zu seiner Cousine, die sich mit dem Löwen davongemacht hatte. Mit einem sorgfältig gewählten Zauber konnte sie sich dieses Blut zunutze machen, um ihre eigenen Kräfte zu stärken und um herauszufinden, warum die Götter sie nach Headon geführt hatten.
Sie ließ ihn zur Ader, bis er das Bewusstsein verlor, und noch ein wenig länger, damit er so lange schlafen würde, bis sie den größten Teil des Blutes in einen Wasserkrug umgefüllt hatte. Sie versteckte den Krug in einer mit drei Schlössern versehenen Truhe, in der sich ihre, Cwens, übrigen Zaubermittel befanden. Anschließend vermischte sie das restliche Blut mit Wasser, damit es den Anschein hatte, es wäre mehr.
Der Junge sah so friedlich aus, als er dort lag, beinahe so, als wäre er tot.
Aber noch nicht heute. Heute brauchte sie lediglich sein Blut.
Sein Tod würde später kommen, wenn die Zeit reif dafür war, dem Raben und dem Löwen Schaden zuzufügen. Und wenn es den Göttern am meisten zur Ehre gereichte.
Tuxford lag an der alten, breiten Straße, die von London nach York führte. Jeder Edelmann in England reiste irgendwann während seines Lebens einmal über diese Straße, wobei die meisten auf ihren Besuchsreisen zu ihren Gütern durch Tuxford kamen, wenn sie dem Königshof auf seiner Reise folgten, nach London reisten oder in die Schlacht zogen. So bestand jeden Tag die Möglichkeit, dass Dutzende von Englands tapfersten Rittern und edelsten Damen auf dem Weg nach Norden oder Süden die Stadt passierten.
Und jeder oder jede Einzelne davon, so wurde Steinarr nun bewusst, stellte eine Gefahr für Marian dar.
In Wahrheit wurden all diese ihnen jetzt nicht gefährlicher als vor einer Woche, als er und Marian von Harworth aus nach Süden geritten waren, aber das war, bevor sie Baldwin begegnet waren. Nun begriff er, wie viele Leute Marian erkennen konnten, wie viele sie möglicherweise von Besuchen auf Huntingdon oder Loxley oder auf dem Sitz, wo sie eine Zeitlang zur Erziehung gewesen war, kannten – eine Erkenntnis, die das Desaster in Sudwell bestätigte. Nun war ihm bewusst, dass jeder Blick eine neuerliche Bedrohung darstellte. Wenn er Marian in das Zentrum einer Stadt bringen musste, wollte er unbedingt diese Gefahr so weit wie möglich bannen.
Er ließ das Packpferd in der Obhut eines Bauern in einem abgelegenen Dorf. Sie konnten es später holen, denn ein Packpferd würde sie zu sehr aufhalten, falls sie ganz schnell die Flucht ergreifen mussten. Von der Bauersfrau lieh er sich einen safranfarbenen Schleier, der Marians Haar vollständig und ihr Gesicht größtenteils bedeckte und sie bleich und krank aussehen ließ. Kurz bevor sie in die Stadt einritten, ließ er sie ihre Lippen mit ein wenig Kreide beschmieren, damit sie weniger rot erschienen.
Was seine eigene Erscheinung betraf, so zog Steinarr sich seine Hirschfellmütze über den Kopf, um sein Haar darunter zu verbergen, und seinen Umhang fest um die Schultern. Mittlerweile seit fast einer Woche unrasiert, sah er noch wilder aus als gewöhnlich, und das war genau richtig so. Zwar hätten ihn weitaus weniger Leute erkannt als Matilda Fitzwalter, aber er wollte nicht, dass irgendjemand von diesen Leuten seine Anwesenheit bemerkte. Die Nachricht, dass man ihn in der Grafschaft mit einer Frau hinter sich im Sattel gesehen hatte, hätte Guy oder dem Sheriff zu Ohren kommen können. Das würde sie nicht nur auf seine Spur bringen, sondern auch zu Robin führen, Headon lag nur ein paar Wegstunden nördlich von
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