Nachtkrieger: Ewige Begierde
Tuxford durch die Wälder.
»Halt deinen Kopf gesenkt und sprich leise«, rief er Marian ins Gedächtnis, als sie sich dem Rand der Stadt näherten. »Und nur Englisch. Kein Französisch. Du klingst zu gebildet, wenn du Französisch sprichst. Und tu so, als könntest du nicht lesen.«
»Aye, Mylord. Ich werde darauf achten«, sagte sie, ungewöhnlich fügsam – ein Zeichen, so hoffte er, dass auch sie sich der Gefahr bewusst war.
Was auf den Hauptstraßen zwei Tage gedauert hätte, hatte auf den Waldwegen fast vier Tage gekostet. Das einzig Gute daran war gewesen, dass sie bei all der Zeit, die sie so länger im Sattel verbracht hatten, umso mehr Gelegenheit gehabt hatten, sich über das Rätsel zu unterhalten. Und fürwahr, das hatten sie. Immer wieder hatten sie das Thema gedreht und gewendet, teils in ernsthaftem Bemühen, teils zum Spaß mit den wildesten Vermutungen. Es war bereits spät gewesen am Tag zuvor, als Marian schließlich auf eine mögliche Lösung gekommen war.
Sie hatten sich wieder einmal über Gerstenkörner und über Ale und Fässer und Schenken den Kopf zerbrochen, worauf die Gerste möglicherweise hindeuten konnte, als Marian nachdenklich sagte: »Ich überlege gerade, was für eine Mühle Tuxford eigentlich hat. Wasser oder Wind oder Ochsen.«
»Wind.« Steinarr erinnerte sich daran, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, vor über hundert Jahren. Damals hatte er gedacht, irgendein Narr hätte ein Schiff auf die Kuppe des Hügels gezogen. Doch dann stellte sich heraus, dass er der Narr war. »Und eine kleine Ochsenmühle. Die nächste Wassermühle liegt eine Wegstunde entfernt, am Fluss Maun.«
»Was wäre, wenn die Gerste nicht für Ale steht. Was, wenn sie für Mehl steht, und die anderen Dinge für die Teile der Mühle stehen: der Mühlstein, die hölzerne Welle …«
»Und das Tuch für Flügel. Ich glaube, du könntest recht haben.«
Sie waren es weiter durchgegangen, aber viel weiter als bis zu ihrer anfänglichen vagen Vermutung, waren sie nicht gekommen, noch weniger darauf, wo der aktuelle Hinweis versteckt sein könnte. Doch immerhin hatten sie nun etwas, womit sie anfangen konnten. Dabei gab es nur ein Problem.
»Verflucht. Jetzt weiß ich, warum die Straße so belebt ist.« Steinarr blieb einige Hundert Meter vor dem ersten Cottage stehen. »Es ist Markttag. Wir werden morgen wiederkommen müssen.«
»Nein. Wir können nicht warten.«
»Doch, das können wir. Ich habe eine Idee – wir sind nur zwei oder drei Wegstunden von Headon entfernt«, sagte er in der Absicht, sie von ihrem hartnäckig verfolgten Plan abzubringen. »Ich könnte dich zu Robin bringen und dich frühmorgens wieder abholen. Dann kommen wir hierher zurück, wenn die Stadt nicht so bevölkert ist.«
»Nein. So gern ich ihn auch besuchen würde, es wäre mir lieber, das nächste Rätsel meines Vaters zu lösen.«
»Aber die vielen Leute …«
»Die vereinfachen doch das Ganze. Sie werden alle auf dem Markt sein. Auch der Müller und seine Frau, darauf würde ich wetten.«
»Und alle, die uns sehen, werden sich fragen, warum wir nicht auch auf dem Markt sind«, gab Steinarr zu bedenken.
»Wir sind nur auf der Durchreise, und wir wollen uns die Windmühle genauer ansehen, weil es in unserem Dorf keine gibt.«
»Eine passable Ausrede«, räumte er ein, nicht gewillt, sich anmerken zu lassen, dass er einmal mehr beeindruckt davon war, wie schnell sie sich eine Lüge ausgedacht hatte, denn diese Fähigkeit wollte er nicht auch noch fördern. Sie jedoch fasste seine Bemerkung als Zustimmung auf und stieß dem Pferd die Hacken in die Weichen, ohne darauf zu warten, dass er ihm die Sporen gab. Während sie im leichten Galopp weiterritten, warf er ihr einen Blick über die Schulter zu. »Willst du auch gleich die Zügel halten? Macht mir nichts aus, hinten zu sitzen.«
Sie errötete. »Verzeiht, Mylord. Ich bin einfach zu dreist.«
Allerdings, das war sie. Wann hatte er schon einmal eine dreiste Frau derart gemocht?
Sie ritten direkt auf die weißen Flügel am anderen Ende der Stadt zu, wobei sie trotz Marians Zuversicht den Marktplatz mieden. Obwohl ein frischer Wind über die Anhöhe wehte, auf der Tuxford lag, standen die Flügel der Windmühle still, und als sie dort ankamen, hatte es den Anschein, als seien sie festgebunden. Steinarr stieß die Tür auf und rief: »Hallo!«
Als er keine Antwort erhielt, lief Marian hinüber zu dem angrenzenden Cottage, doch auch dies erwies sich als leer.
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