Nachtkrieger: Ewige Begierde
also. Nun würde sie ihn nicht weiter bedrängen.
Doch irgendwie schien ihm das weniger zufriedenstellend, als er gedacht hatte. Stirnrunzelnd überprüfte er abermals die Sättel und zerrte an seinem Gepäck, während der Druck in seinen Lenden nachließ. Es dauerte eine Weile, wobei er immer wieder daran denken musste, wie sie vor ihm zurückgewichen war. Als er schließlich zum dritten Mal den Gurt prüfte, drehte der Hengst sich zu ihm um und sah ihn an.
»Sei bloß still«, sagte Steinarr. Er zog den Steigbügel herunter und schwang sich in den Sattel.
Sie stand vor dem Tor des Gutshofs, als er wenig später daran vorbeiritt. Er nickte ihr kurz zu. »Dir und deinem Cousin eine sichere Reise, Marian.«
»Der Teufel soll Euch holen,
Monsire
«, gab sie ziemlich deutlich zurück. Die Wachen am Tor hielten den Atem an und stießen ihn dann lachend aus, als sie sahen, dass Steinarr nicht auf ihre Worte reagierte. Dabei hätte er eigentlich reagieren sollen, bloß um ihr vor Augen zu halten, wohin sie gehörte, doch das spielte kaum noch eine Rolle. Er war die beiden los, sie und ihren Cousin, der gar nicht ihr Cousin war, mit ihren erlogenen Namen auf der noch erlogeneren Pilgerreise. Einzig und allein darum ging es. Also achtete er nicht auf ihren Blick, der ihm den Rücken versengte, und ritt weiter.
Was er jedoch nicht außer Acht lassen konnte, war die Gewissheit dessen, was er empfunden hatte, als er sie geküsst hatte, und was er gesehen hatte, als sie vor ihm zurückgewichen war, kurz bevor sie sich umgedreht hatte und davongelaufen war. Angst, ja. Aber gleichermaßen Gewahrwerden – das gleiche Gewahrwerden wie zuvor, als er sich nahezu in den grünen Seen ihrer Augen versenkt hatte.
Er hätte sie haben können, wenn er sich die Mühe gemacht hätte, um sie zu werben, wenn er willens – in der Lage – gewesen wäre, die nötige Zeit dafür aufzuwenden.
Er hätte sie haben können.
Und er hegte keinerlei Zweifel daran, dass diese Gewissheit ihn noch für eine sehr lange Zeit begleiten würde.
Matilda Fitzwalter stand am Rand des Lagers der Köhler und versuchte, sich einzureden, sie sei froh, dort zu sein.
Aber das war sie nicht – abgesehen davon, dass es bedeutete, weit genug fort zu sein von
ihm.
An diesem Morgen hatte es begonnen, in dem Moment, als sie aufs Pferd steigen wollte. Ihre Blicke hatten sich getroffen, und sein Verlangen war in sie hineingeströmt wie Wasser, hatte sie durchflutet, ihr eigenes Begehren entfacht. Noch immer fühlte sie es schmerzhaft, tief in sich. Den ganzen Tag über hatte sie versucht, den Gedanken an ihn loszuwerden.
Dabei konnte sie es ihm kaum vorwerfen, denn es lag an ihr, sie war diejenige, die diese Gabe hatte.
Diese Gabe war Segen und Fluch zugleich. Seit der Zeit, als sie gerade erst in die Halle hinunterlaufen konnte, hatte sie eine sonderbare Verbindung zu den Tieren um das Haus herum gehabt: zunächst zu den Katzen, dann zu den Hunden und Pferden, zu den Schafen, sogar zu den Hühnern im Stall. Sie kannte ihr Innerstes – nicht, dass sie ihre Gedanken hätte lesen können, sie nahm ihre Gefühle wahr. Doch niemand sonst betrachtete es als eine Gabe, und Vater, erschrocken über die merkwürdigen Äußerungen aus dem Mund seines Kindes, hatte den Rat der Priester befolgt und beschlossen, ihr den Teufel austreiben zu lassen. So hatte sie schnell gelernt, ihre Fähigkeiten zu verbergen, sie sogar zu verhöhnen wie eine kindische Marotte.
Doch selbst als sie die Gabe verleugnete, hatte diese sie nie verlassen, und als sie zu einer Frau herangewachsen war, erstreckten sich ihre Fähigkeiten bis über die Mauern von Huntingdon hinaus. Sie wandte sie heimlich an, lernte, ihre Macht zu kontrollieren, sie gelegentlich sogar bewusst einzusetzen. Manchmal erwies sich das als nützlich, beispielsweise war sie so zu der Erkenntnis gelangt, dass die kleine weiße Stute kräftiger war, als man hätte vermuten können, und dass das arme Tier sich lediglich ungern anspannen ließ.
Auf Menschen erstreckte sich ihre Fähigkeit jedoch nur selten und nie in dieser Form. Es kam vor, dass sie fühlte, ob jemand gut oder böse war, und das konnte recht hilfreich sein. Aber Sir Steinarr … diese geballte Kraft von Begierde und Lust … von Wildheit. Eine solche Wildheit hatte sie bislang nur bei den Tieren im Wald wahrgenommen, aber niemals bei Lebewesen, die den Umgang mit Menschen gewohnt waren. Die bloße Erinnerung daran ließ sie erbeben, sogar mehr als
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