Nachtkrieger: Ewige Begierde
Hirsch des Königs getötet zu haben, was allerdings nie bewiesen wurde. Nun lebt er als Geächteter in den Wäldern der Grafschaft.«
»Ein Geächteter eignet sich nicht gerade als Held für eine Geschichte.«
»Aber er ist kein gewöhnlicher Geächteter. Er raubt nur die reichsten Reisenden aus, Steuereintreiber, Edelmänner und fette Äbte und Bischöfe. Alle anderen lässt er unbehelligt.« So hielt Steinarr es, und Jafri ebenfalls, wenn sie sich der Wegelagerei bedienen mussten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. »Es gab da einmal einen sehr fetten Abt, der auf dem Weg zur … zur Saint Mary’s Abbey war. Seine Kleider waren aus feinstem Samt und feinster Seide, bezahlt mit dem Geld der Bauern, die sich auf Feldern der Abtei plagten.«
Der Mann auf der Nachbarbank wandte sich um und lauschte. »Diese Sorte kenne ich.«
»Leider zu viele Menschen. Aber dieser Abt, Hugo war sein Name, war von der schlimmsten Sorte und dermaßen eingebildet, dass er sich sogar für die Reise auf der Straße, die durch den Wald führte, in Samt hüllte und mit goldenen Ketten und Ringen schmückte. Als Robin diese Reichtümer funkeln sah, konnte er der Versuchung, sich ihn zu schnappen, nicht widerstehen. So ritt er voraus und kletterte auf einen hohen Baum, um dem Abt aufzulauern.«
Ein Mann setzte sich zu Ari, um ebenfalls zu lauschen, zwei Frauen mit Körben schlossen sich ihm an, und schließlich gesellten sich auch die Schauspieler dazu, während Ari die Geschichte des Abtes Hugo spann, der von besagtem Robin eine Demütigung erfuhr. »Schließlich kroch er auf allen vieren zurück nach Hause, nur noch bekleidet mit seiner Unterhose. Robin verkaufte den Schmuck in Lincoln und verteilte das Silber unter den Menschen, die es erarbeitet und verdient hatten. Und damit endet diese Geschichte.«
»Aber was ist mit dieser Marian, die Ihr am Anfang erwähntet, Mylord?«, fragte der Mann, der sich zu Ari auf die Bank gesetzt hatte.
»Ah, Ihr habt recht. Ich vergaß von Marian zu erzählen. Schade, dass mein Hals so trocken ist.«
Der Schankwirt, der noch immer dastand, gebannt von Aris Geschichte, merkte plötzlich, dass er wieder Gäste hatte. Er rief die Schankmaid herbei, die sogleich ihre Runde drehte und so schnell die Becher füllte, wie sie den zahlreichen allzu freundlichen Männerhänden ausweichen konnte. Grinsend beugte der Wirt sich hinunter zu Ari, um seinen Becher mit Wein nachzufüllen. »Ihr braucht nicht zu bezahlen, Mylord, solange Ihr nur weitererzählt.«
Und so erzählte Ari weiter, von Robin, der eine hübsche Maid vor einem Tunichtgut von Edelmann bewahrte und sie im Wald in Sicherheit brachte. Als er an die Stelle kam, wo er gemäß aller Regeln der Kunst des Geschichtenerzählens hätte berichten müssen, dass Robin und Marian sich ineinander verliebten und heirateten, musste er an Steinarr denken – der nach wie vor als Vorbild für den Vogelfreien diente – und verstummte.
»Hat Robin sie geheiratet?«, fragte prompt eine der Frauen mit vor Aufregung leuchtenden Augen.
»Noch nicht«, sagte Ari. »Aber ich vermute, zum Schluss wird er das tun. Und seine Männer werden auch Erfolg haben. »Welche Männer?«, fragte ein anderer Zuhörer.
»Die anderen, von ungerechten Lords geächteten und für geringfügige Vergehen verbannten Männer. Weil sie die für die Heirat einer Tochter üblichen Abgaben nicht an den Lord bezahlt hatten. Oder … oder weil sie krank wurden und ihren Frondienst nicht leisten konnten.« Allgemeines Gemurmel erhob sich. Alle Bauern in England hatten ähnliche Sorgen und Ängste, und das wusste Ari. Seine Zuhörer würden die Geschichte für wahr halten, auch wenn es den Edelleuten in der Umgebung ganz und gar nicht gefallen würde, dass er sie verbreitete.
»Der Erste, der sich Robin anschloss, war John«, fuhr Ari fort. »John Little«, fügte er hinzu, als ihm der Name des Mannes einfiel, dem Steinarr hatte zu Hilfe kommen wollen. Vielleicht würde so wenigstens sein Name weiterleben, was dem Mann selbst versagt geblieben war. »Robin nannte ihn Little John, und nun erzähle ich euch, wie sie sich kennenlernten. Eines Tages, als Robin Hood durch die Wälder streifte, begegnete er einem hünenhaften Kerl von Mann, der mit einem Stab in der Hand auf einer schmalen Brücke stand und …«
So unterhielt Ari weiter seine Zuhörer, indem er neue Abenteuer von Robin Hood und seinen Männern erfand, bis sein geübtes Auge ihn erkennen ließ, dass er gerade noch genug
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