Nachtkrieger: Ewige Begierde
legte die Hacke beiseite und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. »Was gibt es?«
»Goda hat eine Mandelentzündung«, sagte Edith. »Und dem jungen Robin tut auch schon der Hals weh.«
»Ich habe das Kind weinen hören, als ich heute Morgen ankam.« Ari sah hinüber zu Robin, der an einen Baum gelehnt saß und damit beschäftigt war, aus einem Stück Birkenholz eine neue Schöpfkelle für Edith zu schnitzen. »Aber der Junge sieht doch recht munter aus.«
»Im Moment noch«, sagte Edith. »Aber er fragt immer wieder nach etwas zu trinken. Und seht selbst!«
Robin griff sich an den Hals und hüstelte.
»Seht Ihr! Es fängt an, weh zu tun. Er wird auch eine Mandelentzündung bekommen. Ich habe keine Myrrhe, um die Schmerzen zu lindern, und von der Schafgarbe ist auch nicht mehr viel übrig. Ich bräuchte jemanden, der …«
Hamo unterbrach sie. »Wir dachten, vielleicht könntet Ihr uns einen riesigen Gefallen tun und nach Retford reiten, um ein paar Kräuter und Heilpflanzen zu besorgen, Mylord. Das würde uns sehr helfen. Wir haben genug Geld, und heute ist Markttag. Aber mein Pony lahmt, und mit dem Karren würde ich zu lange brauchen. Von den Männern kann ich niemanden entbehren. Von meinen Männern, meine ich.«
»Jemanden, der weiß, was er hier tut, meinst du«, sagte Ari lachend. »Dann werde ich nach Retford reiten, bevor mir die Köhlerei noch den Rücken bricht.«
»Das wird nicht passieren, Mylord. Ihr habt einen kräftigen Rücken und starke Arme, und Ihr scheut Euch nicht, davon Gebrauch zu machen.«
»Mag sein, aber ich kann auch später weitermachen. Sagt mir, was ihr braucht, dann bringe ich es euch bis heute Abend.«
Nachdem es tagelang auf der Lichtung angebunden gestanden hatte, freute Aris Pferd sich ebenso sehr über den Ritt wie Ari selbst, und so dauerte es nicht lange, bis sie im leichten Galopp den langen, sanft nach Retford abfallenden Hang hinunterritten. Von der Anhöhe aus konnte Ari die Zelte und Stände auf dem Marktplatz bereits sehen, ebenso wie den blutroten Lehm des Flusses Idle, von dem die Stadt ihren Namen hatte.
Er gab einem Jungen ein wenig Geld, damit er auf sein Pferd aufpasste, und hatte bald darauf einen Mann entdeckt, der Körbe voll getrockneter Kräuter und Heilmittel feilbot. Rasch ging er die Liste durch, die Edith ihm gegeben hatte, und handelte einen guten Preis aus. Anschließend verstaute er alles in den Beuteln, die die alte Frau ihm auch mitgegeben hatte, und rollte sie zu einem Bündel, um sie besser tragen zu können.
Gleich neben dem Kräuterhändler bot eine Frau dicke Lammpasteten mit Pfeffer und Zimt an. Ari gab ihr einen Farthing für eine davon und ging damit über den Marktplatz, um sich ein wenig umzusehen.
Am anderen Ende des Platzes kam eine Schankbude mit Tischen und grob gezimmerten Bänken in Sicht, und direkt daneben führte eine Gruppe Schauspieler ein Mysterienspiel auf. Während Heilige und Dämonen auf einem großen Karren, der als Bühne diente, ihre Possen aufführten, erstand Ari einen Becher Wein und setzte sich, um seine Pastete zu verzehren und währenddessen in Jubel und Spott des Stadtvolks einzustimmen. Mit Fortschreiten der Handlung wurde die Stimmung jedoch düsterer, und als es zur Auferstehungsszene kam, wurden selbst die Trinkenden ernst und reumütig und machten sich bereit zum Aufbruch.
»Noch etwas Wein, Mylord?«, fragte der Wirt, der ein wenig niedergeschlagen klang.
Ari klopfte auf seinen Becher und legte eine weitere Münze auf den Tisch. »Euren Zechern ist wohl der Durst vergangen.«
»Aye, ich hätte diese schauspielernden Narren gleich fortjagen sollen, als sie hier ankamen«, sagte der Mann und winkte ein Mädchen herbei, um nachschenken zu lassen. »Neben der Kirche wären sie besser aufgehoben, aber ich dachte, sie würden mehr Leute anziehen, und deshalb ließ ich sie gewähren. Stattdessen haben sie nun alle verjagt.«
»Schade, dass Ihr keinen guten Geschichtenerzähler habt, der die Leute zurückholt. Jemand, der die Geschichte von …« – er nannte die ersten Namen, die ihm in den Sinn kamen – »… Robin und Marian erzählt.«
»Robin und Marian? Die Geschichte kenne ich nicht.«
Ari kannte sie auch nicht, aber der Reiz des Erzählens bestand ja genau darin, eine neue Geschichte zu spinnen. »Das wäre auch kaum möglich, denn der Sheriff möchte nicht, dass sie verbreitet wird. Robin wurde vom Sheriff persönlich verbannt, weil er beschuldigt wurde, einen
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