Nachtkrieger: Ewige Begierde
Hand, die auf etwas zeigt?
Monsire,
könnt Ihr damit etwas anfangen?« Sie hielt die Holzschnitzerei in die Höhe.
Steinarr ließ das Packpferd stehen, ging zu Matilda hinüber und nahm das Stück in die Hand. Er betrachtete es prüfend. »Diese Hand steckt in einem Handschuh. Hier sind Nähte zu sehen. Die Schnitzerei stammt von jemandem, der sein Handwerk verstand.«
»Sie muss von einer kleinen Statue abgebrochen worden sein.« Sie untersuchte die Schachfigur. »Unser Bischof hier aber nicht. Er ist zu groß, und er ist aus Stein.«
»Am Handgelenk ist eine klare Schnittfläche zu sehen, da wurde nichts abgebrochen.« Er zeigte sie ihr. »Möglicherweise wurde die Hand speziell für dieses Rätsel geschnitzt. Was ist mit den anderen Stücken?«
»Nichts. Nirgends steht etwas geschrieben, nur hier.« Sie nahm das Pilgerabzeichen und las vor, was in lateinischer Sprache darauf geschrieben stand: »
›Edburga ad Pontem.‹
Eadburh an der Brücke. Vater sprach gelegentlich von einem heiligen Schrein, dem der heiligen Eadburh, die er sehr verehrte.« Sie drehte die Tonscheibe um. »
›Meridianus puteus.‹
Süden, ähm, Brunnen, Quelle. Süd-brunnen … Süd-quelle. Sudwell.«
»Dort gibt es eine große Kirche«, sagte Steinarr.
»Aye, das Münster. Natürlich, das
Gate.
« Sie griff nach dem Bischof und zeigte ihn ihm. »Das Sudwell Gate, die Prozession zu Sudwell.«
Steinarr machte lediglich ein verwirrtes Gesicht, also erklärte sie es ihm. »Vor langer Zeit bat einer der Erzbischöfe um Unterstützung für die Aufrechterhaltung des Münsters zu Sudwell. Jedes Jahr zu Pfingsten kommen Vertreter aller Gemeinden in der Stadt Nottingham zusammen, um ihren sogenannten Sudwell-Penny in einer großen Prozession am Nordportal des Münsters abzugeben. Diesen Brauch nennt man das ›Gate‹.« Sie zeigte erneut auf den Bischof. »Da, das Gate.«
»Das wäre aber das falsche Wort«, sagte Steinarr stirnrunzelnd. »Das richtige wäre das alte Wort
gata.
Straße.«
»Oh. Ja. Vater hatte Spaß an seinen Wortspielen. Gate, Tor oder Straße, Vater wallfahrtete jedenfalls in einem Jahr dorthin, und er nahm Robin als Pagen mit.«
»Dann kennt Robin sich dort also aus.«
»Aye. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, fällt mir ein, dass er ein Pilgerabzeichen trägt, als Glücksbringer. Ich habe es mir nie genauer angesehen, aber ich glaube, es ist das gleiche wie dieses hier.«
»Aha, dann also auf nach Sudwell. Komm. Über den Rest machen wir uns unterwegs Gedanken. Wir haben heute bereits zu viel Zeit vergeudet.«
»Vergeudet ja wohl kaum, Mylord. Wir haben unser nächstes Rätsel fast gelöst, ich habe einen Ritter, der mir seinen Eid geleistet hat, und Ihr habt dabei ein Edelfräulein als Dienerin bekommen.«
»Da magst du recht haben«, sagte er grinsend und machte sich wieder daran, das Gepäck aufzuladen. Matilda sammelte die einzelnen Stücke ein und gab sie zurück in den kleinen Lederbeutel, den sie in ihren Pilgerbeutel steckte. Voller Aufregung beeilte sie sich, Steinarr das restliche Gepäck anzureichen, womit das Packpferd noch beladen werden sollte.
»Ich hätte nicht so viel einkaufen sollen«, murmelte er wenig später vor sich hin, als er die Felle auf dem Packsattel festschnürte. »Ich werde unterwegs etwas davon verkaufen. Wir müssen mit weniger Gewicht reisen.«
»Immerhin habt Ihr daran gedacht, mich anständig zu füttern, bevor Ihr mich wieder verführt«, sagte sie mit einer Leichtigkeit, die nur teilweise aufgesetzt war.
Er beugte sich vor, um ihr, vorbei an dem Stapel Gepäck, einen Blick zuzuwerfen. »Du hast mir also schon verziehen?«
Hatte sie das?
Gab es da überhaupt etwas zu verzeihen? Sie hatte jede Sekunde ihrer Begegnung ebenso viel Vergnügen empfunden wie er, und nun wusste sie immerhin, wie es sein konnte. Selbst wenn sie letzten Endes doch Baldwin heiraten musste, sie wusste es.
»Es steht einer Dienerin nicht zu, ihrem Herrn zu verzeihen, Mylord«, sagte sie – eine Antwort, die eigentlich gar keine Antwort war, denn sie hatte keine parat. »Wie weit ist es bis Sudwell?«
Während er den letzten Riemen festzog, überlegte er. »Zwei Tage, wenn das Wetter so bleibt.« Er verschränkte die Finger ineinander und bückte sich nach ihrem Fuß. »Rauf mit dir, Marian! Es geht los.«
Am Morgen des dritten Tages, nachdem Steinarr fortgeritten war, erschienen Hamo und Edith bei Ari, der gerade Rasensoden stach.
»Wir müssen Euch um einen Gefallen bitten, Mylord.«
Ari
Weitere Kostenlose Bücher