Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
guttun.«
»Ein Grund mehr, sogleich aufzubrechen, damit wir zu Hause sind, bevor der Frost kommt.«
»Sei doch vernünftig, Richard!«, sagte Eleanor beschwörend. »Wir schaffen es nicht vor Anbruch der Nacht bis Burwash, wenn wir jetzt noch aufbrechen. Bleib heute noch hier und ruh dich aus! Dann können wir morgen früh abreisen. Ich werde den Abt um Brot und Wein bitten.«
»Warum seinen Wein verschwenden, wenn ich meinen eigenen ganz in der Nähe habe?« Richard wandte sich an den Arzt. »Und das sagt eine Frau, die so dringend nach Hause wollte, dass wir innerhalb von vierzehn Tagen England der Länge nach durchquert haben.«
Schuldgefühlte nagten an Eleanor, weil sie Richard unter Vorspiegelung falscher Tatsachen dazu gebracht hatte, sich ihrem Willen zu beugen. Doch daran ließ sich nun nichts mehr ändern. Also setzte sie jetzt alles daran, es wiedergutzumachen, und verschränkte stur die Arme vor der Brust. »Ah, ich kann ebenso launenhaft wie dickköpfig sein, und deshalb sage ich dir eins: Ich werde heute nicht nach Burwash reiten.«
»Kratzbürste«, gab Richard grinsend zurück, doch sein Lachen rief lediglich einen weiteren Hustenanfall hervor.
Angesichts dessen runzelte der Arzt besorgt die Stirn. »Mylord, ich muss Lady Burghersh wohl zustimmen.«
»Dann schließen wir einen Kompromiss.« Richard wischte sich mit einem Ärmel den Mundwinkel. »Wir werden heute nicht weiter als bis Merton reisen.«
»Merton? In Surrey?«
»Ein Cousin mütterlicherseits besitzt dort ein prächtiges neues Haus«, sagte Richard. »Er wird uns warme Betten zur Verfügung stellen. Und morgen, wenn ich dir beweise, dass es mir wieder bessergeht, haben wir es nicht mehr weit bis nach Burwash. Einverstanden?«
Eleanor sah den Arzt fragend an, und als er mit einem Kopfnicken sein Einverständnis signalisierte, sagte sie: »Abgemacht. Wenn du mir beweisen kannst, dass es dir wieder bessergeht, werde ich es wiedergutmachen, dass ich in diesem Fall eine solche Kratzbürste gewesen bin.«
»Allein dafür lohnt es sich, gesund zu werden«, sagte Richard, und ein spitzbübisches Lächeln kräuselte seine Mundwinkel und ließ Eleanor daran denken, welches Gesicht er früher immer gemacht hatte, nachdem er wieder einmal an irgendeinem unsäglichen Ort eine Kröte versteckt hatte. »Und nun, wäre jemand so freundlich, mein Pferd zu satteln!«
Kapitel 16
A m ersten Samstag im folgenden April stand Eleanor im Chorraum der Abteikirche von Tewkesbury und sah zu, wie man Richards sterbliche Überreste in die für ihn vorgesehene Gruft legte.
Sie hatten es nicht mehr bis nach Burwash geschafft. Das Lungenfieber hatte sich im Verlauf des kurzen Ritts nach Merton verschlimmert, und Richard, dem es noch immer nicht besserging, war sogleich zu Bett gegangen. Man ließ die besten Ärzte kommen. Und als sie mit ihren Blutegeln und Arzneien nichts ausrichten konnten, ließ Eleanor die Heiler des Dorfes holen. Ihre Kräuter und Tinkturen und Umschläge erleichterten Richard das Atmen, und für einige Tage dachte Eleanor bereits, sie hätten es geschafft.
Eines Nachts jedoch hatte Richard plötzlich einen Rückfall erlitten. Er hatte in einem Dämmerzustand dort gelegen, während das Fieber in seinem Körper wütete und sich Geschwüre in seinem Gesicht und auf seiner Brust ausbreiteten. Voller Angst, er könne an der Pest leiden, hatten seine Cousins und die Dienerschaft sich geweigert, in seine Nähe zu kommen. So blieben nur Eleanor und Lucy übrig, die sich der Aufgabe stellten, an seinem Bett zu sitzen, ihn zu füttern und zu säubern, wenn er sich besudelt hatte.
Sie versuchten alles Menschenmögliche, aber nichts wirkte, und so waren sie dazu verdammt, ihn dahinsiechen zu sehen, bis kurz vor dem Morgengrauen am siebten Tag im Oktober im Jahr des Herrn 1414 seine schwachen, rasselnden Atemzüge verstummten. Zwei Monate vor seinem achtzehnten Geburtstag.
So wurde Eleanor mit kaum zwanzig Jahren zur Witwe, und der Himmel mochte ihr vergeben, dass sie, während sie zusah, wie die Männer den massiven Steindeckel über Richards Gruft schoben, an nichts anderes denken konnte als daran, dass sie endlich, wahrhaftig und Gott sei es in höchstem Maße gedankt, frei war.
Ungeachtet all ihrer kindlichen Gebete, hätte sie Richard nicht für alles Gold der Schatzkammer den Tod gewünscht. Nun aber, da er ihn ereilt hatte, standen ihr laut Gesetz und Brauch Rechte zu, die eine unverheiratete Frau nicht hatte. Und sie gedachte, jedes
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