Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
einzelne davon voll und ganz geltend zu machen, insbesondere das Recht zu heiraten, wen sie wollte.
Schon vor so langer Zeit hatte sie ihre Wahl getroffen …
Als der Priester zum Schlussgebet anhob, um Richard der Obhut des Himmels zu empfehlen, schloss Eleanor die Augen. Sie zwang sich, ihre Gedanken wieder auf Richard zu konzentrieren, dem sie ja eigentlich gebührten, und gab sich Mühe, ein gewisses Maß an Trauer als Ehefrau aufzubringen.
Es gelang ihr nicht. Das Gefühl Ehefrau empfand sie nicht, hatte es nie empfunden.
Er hatte versucht, ihr Herz zu gewinnen, hatte sich aufrichtig darum bemüht. Er war großzügig und liebenswürdig gewesen und hatte sich Mühe gegeben, sie glücklich zu machen, selbst im Bett. Doch obwohl es ihr mit der Zeit leichter gefallen war, Richard zu ertragen, und sie in gewisser Weise sogar Frieden damit geschlossen hatte, mit ihm verheiratet zu sein, war sie nie warm mit ihm geworden, war ihr Herz nie offen für ihn gewesen. Welche Art Trauer auch immer sie nun empfand, sie galt dem Cousin, der ihr als kleiner Junge auf die Nerven gegangen war, galt dem Leiden, das er in seinen letzten Tagen zu erdulden hatte, und den verlorenen Jahren. Nicht der leiseste Hauch davon war der Art von Liebe entsprungen, die eine Frau ihrem Mann gegenüber hätte empfinden sollen. Armer Richard. Er hatte nie das Beste von ihr bekommen.
Und nun, im Tod, war alles, was er von ihr bekommen würde, dieses schöne Grabmal und eine tägliche Messe im Verlauf des kommenden Jahres – beides bezahlt aus ihrer eigenen Börse, im Bemühen, ihre Schuldgefühle zu mildern. Ohne Kinder, die von ihm stammten, und ohne männliche Verwandte in seiner Linie, fiel die Baronie von Burghersh an Richards jüngere Schwester, Isabel, Lady Bergavenny, deren Gemahl den Titel seinen Titeln hinzufügen würde. Die Ländereien gehörten natürlich dazu, abgesehen von dem Wittum, den Ländereien und der Geldgabe, die Eleanor als Witwenrente zustanden. Ihr Vermögensanteil war großzügig ausgefallen, dafür hatte ihr Vater gesorgt – das einzige Gute, was er ihr bei all dem getan hatte.
»Flox crescit et mox evanescit«, sprach der Priester und beendete sein Gebet mit den Worten, die auf Richards Grabplatte standen. Eine Blume wächst und verblüht bald wieder. »In nomine patris et filii et spiritus sancti. Amen.«
»Amen.« Eleanor bekreuzigte sich und sprach sowohl dem Priester als auch dem Abt ihren Dank aus. Grab und Messen waren bereits bezahlt, Schlüssel und Konten an Isabel übergeben und ihre persönlichen Sachen längst zu ihrem Sitz nach Upton on Severn gebracht worden. Alles war erledigt.
Sie trat nach draußen – unsicher und ein wenig benommen angesichts ihrer neuen Situation – und sah hinauf zu der strahlenden Frühjahrssonne. Mit geschlossenen Augen machte sie ihren ersten Atemzug als vollkommen freie Frau, und die Luft schien ihr lieblicher als in all den Jahren davor. Am liebsten hätte sie die Arme ausgebreitet und sich wie ein Kind im Kreis gedreht, bis ihr so schwindelig geworden wäre, dass sie nicht mehr hätte stehen können.
Das Gefühl hielt an, sechzehn Meilen weit zurück nach Upton on Severn, bis das Tor von Dunn Hill aufschwang und ein Meer von Rot freigab, das ihren Hof überschwemmte. Westmorlands Rot.
Nein. Nein. Nein. Nein. Nein.
Sie schmeckte den metallischen Geschmack von Panik. Ihre Finger schlossen sich fester um die Zügel, bereit, ihr Pferd zu wenden und zu fliehen. Doch ein Blick auf den riesigen schnellen Braunen ihres Vaters genügte, um es nicht zu tun. Das Ross hätte ihre Stute schon nach kaum einer Meile eingeholt. Und was dann? Nein, sie musste bleiben und herausfinden, was ihr Vater wollte, musste sich an die Spielregeln halten – egal, worum es ging –, bis sie einen Ausweg gefunden hatte. Beim Gekreuzigten, sie war die Politik ihres Vaters so leid.
»Was kann er jetzt noch von Euch wollen?«, fragte Lucy.
»Gar nichts vielleicht«, sagte Eleanor, bemüht, ihre Hände davon zu überzeugen, nicht mehr zu zittern, bevor es noch jemand bemerkte. »Vielleicht kommt er nur zu Besuch.«
»Vielleicht«, sagte Lucy zweifelnd. »Aber was, wenn er doch etwas will, Mylady? Was sollen wir dann machen?«
»Wir werden ihn natürlich willkommen heißen. Schließlich ist er mein Lord Vater.« Sie warf Lucy einen warnenden Blick zu. »Und du wirst nichts Bedeutungsvolles zu ihm sagen.«
»Ich werde überhaupt nichts sagen, wenn es irgend geht, Mylady. Und während ich
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