Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
du mir so viel, wie man für ein anständiges Schlachtross bezahlen würde, wenn du nicht endlich damit aufhörst«, sagte Jafri. Er senkte seine Stimme. »Was ist los? Stimmt etwas nicht mit ihr?«
Ari warf einen Blick zu der Höhle und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht.«
»Du hast mir doch erzählt, alles läuft gut. Dass sie bereit ist.«
»Ist sie auch. Es ist nur … Etwas stimmt nicht. Ganz und gar nicht. Ich weiß schon seit Monaten, dass irgendetwas geschehen wird, aber ich kann es nicht … Es sollte nicht so schwierig sein.« Er zuckte zusammen, streifte hastig den Handschuh ab und wickelte den Verband ab, damit er sich richtig kratzen konnte.
»Zum Donner, Ari! Was hast du gemacht?« Bestürzt starrte Jafri auf Aris blutigen Handteller, der voller Messerschnitte war, einige so dicht beieinander, dass die Haut dazwischen in Fetzen hing. »Du bist dabei, dich zu verstümmeln. Es wird dich deine Hand kosten, wenn du so weitermachst. Einen solch hohen Preis können deine Visionen gar nicht wert sein.«
»Genau das ist ja das Problem. Ich nehme keine Visionen mehr wahr. Nicht eine einzige. Immer wieder flehe ich darum, aber ich sehe kein einziges Bild. Schon seit Monaten nicht mehr. Nein, seit Jahren. Ich glaube, das letzte Bild, das ich wahrnahm, war das, das mir Gunnars Amulett offenbarte. Vielleicht noch eins danach.«
»Dann ist es dir im Moment eben nicht bestimmt, Visionen zu bekommen. Oder du suchst zu zwanghaft. Denk einfach nicht daran, und wenn die Zeit gekommen ist, werden die Götter dir wieder welche schicken.«
»Ich kann nicht auf die Götter warten. Wir stehen an der Schwelle zu irgendetwas, das spüre ich, und ich weiß nicht, was es ist, geschweige denn, ob es gut oder böse ist. Ich komme mir vor wie ein Blinder, der in einem Verlies umhertastet. Alles ist Schwarz in Schwarz. Ich muss … au, Mist.« Er sprang auf. »Ich gehe noch einmal hinauf zu dem Teich.«
»Nein. Lass das!«
»Das geht nicht. Wir müssen vorbereitet sein, und es ist nun einmal mein Los, herauszufinden, worauf wir vorbereitet sein müssen. Hinterlass Brand eine Nachricht, ja. Er muss Bescheid wissen. Und vielleicht muss er kommen, um den Raben abzuholen. Wegen seines Flügels …« Er hielt seine Hand hoch.
»Was ist mit Gunnar?«, fragte Jafri.
»Ich weiß nicht«, antwortete Ari. »Ich habe der Lady gesagt, alles wird gut. Wünsch Ihr und Gunnar, dass das stimmt.«
So machte Ari sich auf den Weg, um sich abermals die Hand aufzuschlitzen in der Hoffnung, sein Blutopfer möge ihm einen kurzen Blick in die Zukunft verschaffen.
Nur einen. Bitte. Vör, bitte gewähre mir wenigstens diesen einen.
Eleanor wartete am Ufer des Bachs, als Gunnar an diesem Abend zurückkam, und sie hatte einen Gesichtsausdruck, der Gunnar die Haare zu Berge stehen ließ.
»Was ist los?«
»Du bist spät dran. Wieder einmal.«
Er grinste über ihren kleinen Scherz. »Eine leidige Angewohnheit, Mylady.«
»Ihr habt viele leidige Angewohnheiten, mein lieber Herr, eine besteht darin, dass Ihr ein Stier seid.« Sie griff in den Kragen seines Hemds und fand das Amulett. Er wollte ihre Hand packen, um sie davon abzuhalten, aber sie presste das Amulett auf seine Brust. »Und trotzdem liebe ich dich.«
Sein Herz setzte einen Schlag aus und begann zu rasen. »Eleanor.«
»Ich liebe dich, Gunnar«, sagte sie noch einmal.
Frei. Er würde frei sein. Ja, o ja, o ja.
Nichts geschah.
Eleanor zog das Amulett unter seinem Hemd hervor, so dass sie es sehen konnte. In ihrem Gesicht spiegelte sich die reinste Verwirrung, aber ein kalter, weit entfernter Teil von Gunnar schloss:
Sie war nicht diejenige.
Was immer sie für ihn zu empfinden glaubte, was immer sie wollte … Er war doch noch nicht an der Reihe.
»Ich verstehe das nicht«, murmelte sie. »Ari sagte, so müsste man es machen.«
»Ari? Er hat dich darauf gebracht?« Enttäuschung schlug blitzartig um in Ärger. »Er hätte seine Nase nicht da reinstecken sollen.«
»Ich habe ihn gefragt, wie ich dir helfen könnte. Er sagte, ich bräuchte nur zu sagen, dass ich dich liebe, mit deinem Amulett in der Hand, und dann würde der Fluch aufgehoben sein.«
Dass dieser Esel sich auch überall einmischen musste. »Nicht nur sagen. Auch meinen. «
»Aber ich meine es doch so. Ich liebe dich.«
Wütend auf Ari. Wütend auf Eleanor. Es spielte keine Rolle. Gunnar holte zum Rundumschlag aus. »Es bringt nichts zu lügen.«
»Es ist keine Lüge«, gab sie aufgebracht zurück.
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