Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
gehenden Feldzugs in Wales. Das kalte Wetter. Tratschgeschichten vom Königshof, die sie eventuell gehört hatte.
Offenbar hatte er das Gespräch in zu sichere Bahnen gelenkt, denn nachdem sie ihren Nachtisch, ein Stückchen Lebkuchen, verzehrt hatten, erhob sie sich – allem Anschein nach bereit, sich zurückzuziehen.
»Verzeiht, Mylady.« Gunnar erhob sich ebenfalls. »Ich befinde mich zu selten in solch feiner Gesellschaft, als dass ich noch wüsste, wie man eine Dame gebührend unterhält.«
»Was? Oh, nein, da habt Ihr mich falsch verstanden. So einfach kommt Ihr mir nicht davon.« Sie hob eine Hand, winkte mit dem Finger, und sogleich verließ Lucy ihren Platz an der Tafel, wo sie gemeinsam mit den anderen Mädchen, die zur Erziehung am Hof waren, gesessen hatte. Sie rief ein paar Dienerinnen herbei und eilte davon.
»Mylord?«, wandte sich Lady Eleanor an ihren Vater. »Schon seit Jahren halte ich ein Geschenk für Sir Gunnar bereit und hatte bislang keine Gelegenheit, es ihm zu übergeben. Nun würde ich das gern nachholen.«
»Aber selbstverständlich. Lass es bringen.«
»Es wäre angebrachter, es ihm im Familienzimmer zu überreichen. Dürfen wir uns mit Eurer Erlaubnis entfernen?«
Der Earl runzelte die Stirn. »Werdet Ihr dabei in Begleitung sein?«
»Selbstverständlich, Mylord. Lucy ist bereits mit einigen Mädchen vorausgegangen, um die Sachen zu holen und auf uns zu warten.«
»Also schön.« Lord Ralph winkte sie mit einer Handbewegung davon. »Wir werden uns gleich dazugesellen.«
Eleanor streckte eine Hand aus. »Kommt, Monsire. «
Wie zuvor stellte Gunnar fest, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als zu gehorchen. Ergeben stand er auf und ließ sich von ihr die Treppe hinaufführen.
Das Familienzimmer von Raby Castle war größer als die Halle der meisten Herrenhöfe und weitaus gefälliger, ausgestattet mit Elle um Elle schwerer Wandbehänge und – wie es schien – Morgen dicker Teppiche auf dem Boden, erhellt vom Schein so vieler Kerzen, dass man glauben konnte, der Tag sei bereits angebrochen. Ein offenbar eigens dafür zuständiger Diener eilte umher, um noch mehr Kerzen zu entzünden. Während er seine Aufgabe verrichtete, standen sie beide schweigend da – wobei Eleanor so schwungvoll auf den Zehen wippte, dass es ihren scheinbar gelassenen Gesichtsausdruck Lügen strafte –, bis der Mann mit seiner Arbeit fertig war, sich mitsamt seinem Feuerhölzchen entfernte und sie sich plötzlich und unerwartet allein dort wiederfanden.
Allein.
»Eure Kammerjungfer ist noch nicht da«, sagte Gunnar.
»Nein.« Eleanor hob den Kopf und sah ihm geradewegs in die Augen, herausfordernd mit dem kaum merklichen Anflug eines Lächelns. »Das wird meinem Lord Vater ganz und gar nicht gefallen.«
Gunnar hämmerte der Puls in den Schläfen und brachte all seine inneren Stimmen zum Schweigen, bis auf die eine, die ihn zu ihr drängte.
»Dann wollen wir ihm lieber nichts davon sagen«, murmelte er, und plötzlich lag sie in seinen Armen, und ihre Lippen – heiß und doch sanft – berührten die seinen. Mit einem tiefen Seufzer zog er sie noch näher an sich heran, und ihr Körper schmiegte sich perfekt an seinen – dass es so sein würde, hatte er vorher bereits gewusst.
»Ich habe von Euch geträumt«, flüsterte sie, und ihr Mund berührte seine Lippen. »So viele Nächte wünschte ich, Ihr würdet kommen. Wünschte, Ihr nehmt mich …« Der gedämpfte Klang von Stimmen auf dem Gang ließ sie sich unterbrechen. »Ach, verflucht! Sie ist zu schnell.«
Hastig wand sie sich aus seinen Armen und drehte sich um zu der Feuerstelle, als Lucy den Raum betrat – gefolgt von zwei Dienerinnen, die Stöße von Kleidung hereinschleppten.
Halb benommen stand Gunnar da, Eleanors Geschmack noch auf den Lippen, während ihre Worte in seinem Schädel widerhallten. Wünschte, Ihr nehmt mich. O ja, nur zu gern hätte er das getan. Aber der Teil von ihm, der noch einigermaßen bei Sinnen war, der Teil, den dieser Drang nicht vollkommen übermannte, sagte ihm, sie hatte ihren Gedanken ja gar nicht zu Ende geführt. Sicherlich hatte sie ihn nicht einfach unumwunden auffordern wollen, sie zu nehmen. Bemüht, die Kontrolle wiederzuerlangen, ging er mit schweren Schritten hinüber zum Tisch und schenkte sich einen Becher Wein ein.
Eleanor drehte sich zu Lucy um, fröhlich lächelnd und mit rosigen Wangen, die schienen, als hätte die Wärme des Feuers sie zum Glühen gebracht. »Das ist ja
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