Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
immer zur Verzweiflung. Sie sagt nämlich, eine Dame von königlichem Geblüt sollte nicht Geräusche von sich geben wie eine Bäuerin.«
Gunnar verschluckte sich beinahe an seinem Stück Brot. Er wischte sich mit dem Handrücken die Krümel ab. »Königlich? Aber …« Er durchforstete sein Gedächtnis nach dem Wenigen, das er über Ralph de Neville wusste. »Der Earl ist doch kein Anjou-Plantagenet. Oder doch?«
»Nein. Aber meine Lady Mutter stammt aus dieser Linie.« Sie zog eine Augenbraue hoch. »Ah, Ihr kennt sie nicht, und ich habe sie Euch letzte Woche nicht richtig vorgestellt. Sie ist Lady Joan de Beaufort. Ihr Vater – mein Lord Großvater – war John von Gaunt, der Herr habe ihn selig.«
»Natürlich. Daran hätte ich mich erinnern müssen«, murmelte Gunnar erstaunt. John von Gaunt. Es war ein sinnloses Unterfangen, den Überblick über die Engländer und all ihre Familienbande zu behalten, darüber, wer mit wem verheiratet oder verschwägert war, vor allem für einen wie ihn, der im tiefen Wald lebte, aber selbst er wusste, wer John von Gaunt war: der mittlere Sohn des dritten Edward, einst der Herzog von Lancaster, nachdem er die reiche Erbin des Herzogtums Lancaster geheiratet hatte, und Königmacher von Richard aus der direkten Linie der Plantagenets, dem Sohn seines älteren Bruders Edward. Gaunts Sohn und Erbe, Henry Bolingbroke, hatte seinen Onkel Richard später gestürzt, hatte nach Erbrecht und Gottesurteil im Kampf die Krone beansprucht und war vom Parlament als der vierte Henry anerkannt worden. Gaunt selbst hatte aber auch mit seiner Geliebten in Frankreich – später seine dritte Ehefrau – ein paar Kinder in die Welt gesetzt. Wenn die Countess zu der Beaufort-Seitenlinie gehörte, dann war Eleanor …
Donnerwetter. »Dann ist unser König Henry Euer Onkel.«
»Das ist er. Ein Halbonkel zumindest.« Sie presste die Lippen aufeinander, während sie ein Stück Brot für sich selbst mit Butter bestrich. »Oder, besser gesagt, zu einem Achtel mein Onkel, denn für uns ist er ja nur zur Hälfte unser Onkel, und wiederum nur die Hälfte von uns behandelt er auch so. Er hat meine Schwestern und mich stets eindeutig meinen Brüdern vorgezogen.«
Gunnar zuckte mit den Schultern. Für ihn war der Grund dafür klar ersichtlich. »Weder Ihr könnt die Krone beanspruchen, noch kann es eine Eurer Schwestern.«
»Meine Brüder können es auch nicht. So hat das Parlament es beschlossen.«
»Henry konnte es auch nicht nach dem Recht«, gab Gunnar zu bedenken. »Richard war nach dem Erbrecht der rechtmäßige König. Und trotzdem sitzt nun Henry auf dem Thron.«
Lady Eleanor machte ein möglichst unbeteiligtes Gesicht. »Gebt acht, was Ihr sagt, Sir. Richards Unterstützer sind hier nicht gut gelitten. Ebenso wenig wie die von Mortimer.«
»Ich habe keinen der beiden unterstützt. Aber die Wahrheit bleibt eben die Wahrheit. Sollten Eure Brüder einmal über genügend Macht verfügen, könnte einer von ihnen dieselben Mittel anwenden wie einst Bolingbroke. Vielleicht hält der König Eure Brüder auf Abstand, weil er fürchtet, er oder Prinz Harry könnten sich eines Tages dazu genötigt sehen, Krieg gegen sie zu führen. Es ist schwierig, gegen einen Mann zu kämpfen, den man, als er noch ein Kind war, verhätschelt hat.«
Eleanor sah hinunter, dorthin, wo ihre Brüder saßen, und eine Furche zeigte sich zwischen ihren Brauen. »Meine Beaufort-Onkel haben dem König sicherlich Anlass genug gegeben, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Damit habt Ihr bestimmt recht.«
»Ich wünschte, das hätte ich nicht, da es Euch so sorgenvoll blicken lässt. Ich hätte lieber den Mund halten sollen, um Euer Lächeln nicht zu vertreiben.«
»Wie Ihr selbst gesagt habt, Monsire, die Wahrheit bleibt eben die Wahrheit. Und Eure Erklärungen helfen mir, den König besser zu verstehen. Und meinen Vater auch«, fügte sie leise hinzu, beinahe als spräche sie zu sich selbst.
Beide schwiegen, während die Pagen erschienen, um ihren Zinnteller zu füllen. Trotz Brot und Butter knurrte Gunnars Magen noch lauter, als der Berg Essen vor seinen Augen immer größer wurde.
Lady Eleanors Miene hellte sich auf, sie schnappte eine Scheibe Gänsebraten und hielt sie Gunnar hin. »Hier, Sir Gunnar, schnell, bevor die Hunde noch Angst vor Euch kriegen.«
Schmunzelnd beugte er sich vor, um den Bissen entgegenzunehmen, und ohne sich weitere Gedanken darüber zu machen, schloss er die Lippen um ihre
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