Nachtkrieger
übergeben. Ich weine ständig. Dabei habe ich nie viel geweint. Das weißt du doch.«
»Aye. Aye.«
»Und nun breche ich ständig in Tränen aus. Ich glaube, ich werde verrückt. Oder ich muss bald sterben.«
»Unsinn«, sagte Bôte lachend. »Ihr seid ebenso wenig verrückt wie ich. Tränen, Lachen, der empfindliche Magen – das bedeutet Leben, mein Lämmchen, nicht Tod.«
Alaida wischte sich mit einem Zipfel des Umschlagtuchs die Tränen ab. »Was soll das heißen?«
Bôte packte sie an den Schultern und hielt sie auf Armlänge entfernt. »Denkt nach! Wann war Eure letzte Monatsblutung?«
»Ich weiß nicht mehr. So etwa …« Alaida rechnete zurück, und ihre Tränen versiegten, als sie verstand, was Bôte andeuten wollte. »Nein. Das kann nicht sein. Ich habe nach der Hochzeit noch einmal geblutet. Etwa um die Zeit herum, als Sir Brand verletzt nach Hause kam.«
»Aber nur ein wenig. Das muss nichts bedeuten, und seitdem ist ein weiterer Monat vergangen.«
»Aber wir haben nicht …« Alaida unterbrach sich. Sie hatte Bôte noch immer nicht erzählt, dass ihr Ehemann sie nicht anrührte – das einzige Geheimnis, das sie mit ihm teilte. »Ich meine, diesbezüglich konnte ich mich noch nie nach dem Mond richten. Manchmal setzt die Blutung einen Monat aus, oder sie kommt zu spät.«
»Aye, aber Ihr musstet Euch schon ein paarmal übergeben.«
»Aber nicht morgens, jedenfalls nicht immer.«
»Bei manchen Frauen tritt die Übelkeit zu anderen Tageszeiten auf. Das ist auch unerheblich. Ich habe es ohnehin längst bemerkt.«
»Wie denn das?«
»Seht Euch doch mal Eure Brüste an.«
Verlegen kreuzte Alaida die Arme vor der Brust. »Du hast mir doch erzählt, die Brüste einer Frau blühen auf, sobald sie verheiratet ist.«
»Aye, aber so sehr nun auch wieder nicht, und nicht so gut durchblutet. Selbst Hadwisa hat es bemerkt. Obwohl sie so unbedarft ist, dass sie sich nichts dabei gedacht hat. Sie werden sich eine Zeitlang verhärtet anfühlen und schmerzen.«
Steinhart, und das bereits seit Wochen.
Alaida schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht schwanger! Das kann einfach nicht sein.«
Nicht nach einer einzigen Nacht.
»Mit einem Mann wie Lord Ivo wäre es eher verwunderlich, wenn Ihr es nicht wärt.«
Ein Mann wie Lord Ivo!
Was hatte das schon zu bedeuten? Ein Mann, der seine Frau Tag für Tag allein zurückließ und des Nachts ihre Nähe mied! Doch möglicherweise wusste sie nun, warum. Vielleicht wollte er nicht, dass sie Kinder bekam. Was würde er wohl sagen, wenn er erfuhr, dass sie bereits schwanger war, und das nach nur einer Nacht? Sie machte ein so unglückliches Gesicht, als wäre ihr schon wieder übel.
»Wollt Ihr es nicht endlich einsehen, mein Lämmchen?«, redete Bôte weiter auf sie ein. »Geschwollene Brüste, Übelkeit, keine monatliche Blutung. All das spricht doch für sich.«
Alaida wollte es noch immer nicht glauben. »Aber das erklärt noch längst nicht diese Wein- und Lachkrämpfe«, sagte sie kopfschüttelnd.
»O doch, My Lady. Das Baby beeinflusst Eure Gefühle. Viele Frauen vergießen die gleichen Tränen wie das Kind, das sie unter dem Herzen tragen. Oder sie können gar nicht mehr aufhören zu lachen, wenn sie erst einmal angefangen haben. Ihr solltet froh sein, dass Ihr eine dieser Frauen seid. Denn es ist ein Zeichen dafür, dass es ein fröhliches Kind wird.«
»Es gibt kein Kind«, sagte Alaida und schlang die Arme fester um ihren Oberkörper.
»Doch, es gibt eins, My Lady. Ach, mein Lämmchen! Ich weiß, dass Ihr Angst vor der Geburt habt. Aber die Furcht wird verblassen, je näher der Zeitpunkt rückt.« Bôte erhob sich und begann, ihre Kräuter einzusammeln. »Ich schicke Lord Ivo zu Euch, dann könnt Ihr es ihm sagen. Er freut sich bestimmt.«
»Nein!«, rief Alaida voller Panik.
»My Lady …«
»Jetzt nicht. Es steht ja noch nicht fest. Meine … Unpässlichkeit könnte auch andere Gründe haben.«
»Aye. Auch! Aber all das läuft auf das Gleiche hinaus.« Bôte legte Alaida eine Hand auf den Bauch und sagte: »Man wird es ohnehin bald sehen.«
»Bis dahin braucht Lord Ivo nichts davon zu erfahren. Auch niemand sonst.«
»Aber, mein Lämmchen …«
»Niemand!«, wiederholte Alaida. »Das meine ich ernst, Bôte. Schwör mir, dass du es niemandem sagen wirst, bevor ich mir nicht sicher bin!«
Bôte presste die Lippen aufeinander und nickte. »Ich schwöre. Und ich werde dafür sorgen, dass Hadwisa den Mund hält, falls sie doch noch die
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