Nachtkrieger
ohnehin bereits wusste. Aber viel mehr interessiert mich, was Ihr mir zu erzählen habt, My Lady. Besser gesagt, was Ihr mich fragen wollt.«
»Ich …« Der Moment war gekommen, doch Alaida zögerte. »Ich wollte mich dafür bedanken, dass du Brand so gut versorgt hast.«
»Dafür bin ich bereits mit Dank überschüttet worden, My Lady, so oft, dass es mir fast schon peinlich ist.«
»Trotzdem möchte ich dir noch einmal persönlich meinen Dank aussprechen.«
»Den nehme ich gern an. Aber das ist doch nicht der einzige Grund, aus dem Ihr hier seid.«
»Nein«, sagte Alaida und starrte auf das Brett mit Brot und Käse, bis Merewyn schließlich fragte: »My Lady?«
»Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
»Vielleicht mit dem Baby.«
»Woher …?«, begann Alaida erstaunt, denn sie war sicher, dass man ihr noch nichts ansah.
Merewyn lachte nur. »Ich sehe es an Eurem strahlenden Gesicht, My Lady. Schon seit einigen Wochen häufen sich die Zeichen, und ich habe mich gefragt, welche Frau wohl die Glückliche ist. Als ich Euch kommen hörte, wusste ich es. Ich weiß jedoch nicht, warum Ihr überhaupt hier seid. Ihr habt doch Bôte.«
»Um Gewissheit zu haben und um …«
Ein Baby!
Von Merewyn die Bestätigung zu erhalten ließ den Gedanken noch einmal vollkommen neu erscheinen. Wie so oft in der letzten Zeit stiegen Alaida Tränen in die Augen. Doch sie schluckte sie hinunter und schwieg einen Moment lang, um die Fassung wiederzugewinnen. »Ich bin zum einen deshalb gekommen, um herauszufinden, was es
damit
auf sich hat. Mit diesen Tränen.«
»Lasst sie fließen, My Lady. Mehr kann auch ich nicht dazu sagen.«
»Manchmal ist mir den ganzen Tag nach Weinen zumute, selbst dann, wenn es mir gutgeht. Wenn ich lachen muss, ist es beinahe ebenso schlimm.«
»Beides wird nachlassen, sobald Euer Körper sich auf das Kind eingestellt hat. Dann verschwindet auch die Übelkeit.«
Das Kind!
Alaida nickte und kämpfte noch immer gegen die Tränen. »Die Übelkeit hat bereits nachgelassen.«
»Gut. Sie ist ein Zeichen dafür, dass das Baby gesund und kräftig ist. Trotzdem ist es eine Erleichterung, wenn sie verschwindet. Aber Ihr habt mir noch nicht alles erzählt«, ermunterte Merewyn Alaida weiterzusprechen. Als diese sie erstaunt ansah, fügte sie hinzu: »Ihr sagtet, ›zum einen‹. Was also ist das andere?«
Das andere.
Vor lauter Verlegenheit stand Alaida auf und lief in dem kleinen Raum hin und her. Fuhr mit den Fingern über Tontöpfe und getrocknete Kräuter, um die Frage, die ihr auf der Zunge lag, vor sich herzuschieben.
»My Lady, worum auch immer es gehen mag, in meinen Regalen werdet Ihr die Antwort nicht finden.«
»Wer weiß, vielleicht doch. Aber wenn, würde es mir sicher gar nicht auffallen.« Seufzend setzte Alaida sich wieder an den Tisch. »Ich … ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Ich brauche etwas … das meinen Mann dazu bringt, mich zu lieben. Mir beizuwohnen.«
Verständnislos sah Merewyn auf Alaidas Bauch und sagte: »Das dürfte Euch doch längst gelungen sein, My Lady.«
»Nur eine Nacht lang«, sagte Alaida. Dann schüttete sie Merewyn ihr Herz aus – angefangen bei der Abwesenheit ihres Mannes bis hin zu der noch rätselhafteren Abneigung, ihr zu nahe zu kommen. Es tat gut, sich alles von der Seele zu reden, und Merewyn war eine gute Zuhörerin. Sie nickte verständnisvoll und stellte hier und dort eine Frage.
»Ich möchte Euch keineswegs beunruhigen, My Lady, aber könnte es sein, dass Euer Gemahl sich anderweitig vergnügt?«
»Zunächst hielt ich es für möglich, aber mittlerweile … Alles, was ich weiß, ist, dass er sich nicht mit mir vergnügt.« Alaida stand auf und lief erneut hin und her. »Je kürzer die Nächte werden, desto weniger Zeit verbringt er zu Hause. Und nun steht der Sommer bevor. Kaum dass die Sonne untergegangen ist, geht sie wieder auf. Wenn ich nicht bald herausfinde, was meinen Mann umtreibt, werde ich keine Gelegenheit mehr dazu haben. Wenn die Schwangerschaft erst vorangeschritten ist, werde ich nicht viel unternehmen können. Und ich fürchte, wenn sie vorbei ist, könnte es bereits zu spät sein.«
»Wenn man der Kirche Glauben schenkt, ist es das bereits jetzt. Die Priester predigen doch Enthaltsamkeit während der Schwangerschaft.«
»Und an Feiertagen, Fastentagen, Sonntagen, mittwochs und freitags, während der Fastenzeit, in der Adventszeit und so weiter. Selbst in der vergangenen Woche sollte man enthaltsam
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