Nachtkrieger
Mann – und seine Braut noch so jung –, dass es Ivo leidgetan hätte, wenn es Neville gelungen wäre, die Atmosphäre zu vergiften. Mit einem gleichmütigen Lächeln bildete er seine folgenden Worte so deutlich, dass Neville sie ihm von den Lippen ablesen konnte. »Solltet Ihr ihn in Eure Dienste nehmen,
Messire,
dann habt ein wachsames Auge auf ihn und erwartet nicht allzu viel Mut und Tapferkeit.«
Godfrith legte die Stirn in drei tiefe Falten, die seinem Gesicht das Aussehen eines frisch gepflügten Ackers verliehen. »Könnt Ihr das bestätigen, Sir Wakelin?«
»Vor allen Dingen kann ich bestätigen, dass man sich auf Lord Ivos Rat verlassen kann.«
Die Furchen auf Godfriths Stirn vertieften sich. Er überlegte eine Weile, dann hellte sich seine Miene auf. »Sir Neville, her zu mir!«
Neville erschien vor der Hohen Tafel und sank auf ein Knie. »Zu Diensten, My Lord.«
»Ich habe beschlossen, auf Eure Dienste zu verzichten. Ihr könnt mit Sir Wakelin Euren Weg fortsetzen.«
Mit feuerroten Ohren senkte Neville den Kopf. »Jawohl, My Lord.« Als er sich wieder aufrichtete, galt sein hasserfüllter Blick nicht Godfrith, sondern Ivo.
Doch Ivo kümmerte es nicht weiter. Er verbrachte einen unterhaltsamen Abend an Godfriths Tafel, bis es Zeit wurde, sich zu verabschieden. Nachdem er die Halle verlassen hatte, schwang er sich in den Sattel und ritt in Richtung Nordosten. Bei Sonnenaufgang hatte er Ribbleswood und damit auch Neville weit hinter sich gelassen. Bei Sonnenuntergang setzte er seinen Weg fort, zunächst Brand entgegen und dann Alaida und seinem Zuhause.
Eine Woche später saßen Ivo und Brand am Nordufer des Aln und betrachteten die von Palisaden umgebene Motte.
»Nun bist du Burgherr«, sagte Brand.
»Der Wohn- und Wehrturm fehlt noch, aber Ari hat gute Arbeit geleistet«, antwortete Ivo und versuchte, im Dunkeln den Raben auszumachen. »Ich frage mich, wo der Vogel steckt. Es wird einen merkwürdigen Eindruck machen, wenn du ohne ihn erscheinst.«
»Vielleicht versteckt er sich vor ein paar Eulen«, mutmaßte Brand. Er pfiff auf zwei Fingern, so laut, dass man es bis zur Umwallung hören musste. »Nun sind die Torwächter garantiert munter.«
»Das sollten sie auch.«
Ivo und Brand ritten um die Motte herum, um sie genauer in Augenschein zu nehmen, was ihnen das Mondlicht erlaubte. Auf dem Weg zum Tor des Herrenhauses verkündete lauter werdendes Flügelschlagen, dass der Rabe sich näherte. Brand streckte einen Arm aus, der Vogel setzte sich darauf und sprang ihm auf die Schulter.
»Gute Arbeit«, lobte Brand mit gesenkter Stimme und fügte lauter hinzu: »Beim Barte des Gekreuzigten, ist das schön, wieder zu Hause zu sein!«
»Wer da?«, ertönte Oswalds dröhnende Stimme.
»Was denn? Drei Monate fort und schon vergessen?«, gab Ivo zurück.
»My Lord?«, rief Oswald und befahl den Wachen: »Öffnet das Tor! Öffnet Lord Ivo das Tor! Einer von euch geht ins Haus, um Lady Alaida wecken zu lassen.«
»Nein, lasst sie schlafen«, befahl Ivo.
Trotz der späten Stunde – es war weit nach Mitternacht – wurden Ivo und Brand enthusiastisch empfangen. Müde und zerzaust kam Geoffrey aus dem Haus gestolpert, gefolgt von Tom und einigen anderen, aber die meisten schliefen bereits. Ivo ließ sich nur in Kürze von seinen Beamten schildern, was während seiner Abwesenheit geschehen war, verschob alles Weitere auf den nächsten Abend und entschuldigte sich. Als er die Treppe hinaufging, reichte Tom Brand ein Trinkhorn Bier, und alle anderen krochen wieder unter ihre Decken.
Schlafende Frauen lagen auf Strohsäcken rings um Alaidas Bett. Im Licht der Öllampe manövrierte sich Ivo um sie herum, entledigte sich bis auf die Bruche seiner Kleidung und zog den Bettvorhang auf. Seine Frau, die im schwachen Licht der Lampe nur als schemenhaft sichtbarer Hügel zu erkennen war, wälzte sich im Schlaf hin und her. Sogleich nahm ihr vertrauter Duft ihn gefangen, als wickelten sich seidene Fäden um ihn, die ihn hinunter an ihre Seite zogen. Alaida murmelte etwas vor sich hin, und er legte einen Arm um sie.
Bei allen Göttern, sie war gewaltig! Schockiert nahm er zur Kenntnis, wie sehr ihr Umfang zugenommen hatte. Er hatte vergessen, dass es jetzt schon mehr als sieben Monate sein mussten. Zärtlich strich er über ihren Bauch, sie fühlte sich in seinen Armen weich und warm an. »Alaida?«
»Ivo«, murmelte sie verschlafen.
Nicht My Lord, sondern Ivo. Endlich Ivo.
Er gab ihr einen Kuss in
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