Nachtkrieger
begreifen. Diese Männer waren Ungeheuer, alle beide, halb Tier, halb Mensch. Kein Zweifel, dass es sich mit Sir Brand ebenso verhielt. Das Böse in Person, genau das waren sie, und ganz sicher mit dem Teufel im Bund. Man hätte sie auf dem Scheiterhaufen verbrennen sollen.
Und auf einmal wusste Neville, was zu tun war. De Vassy selbst hatte ihn darauf gebracht. Er brauchte ihn gar nicht zu töten. Die Kirche oder die Krone würden sich seiner schon annehmen. Und beide würden ihn, Neville, reich belohnen, weil er die Greuel auf Alnwick ans Licht gebracht hatte. Beschwingt von dem Gedanken, de Vassy brennen zu sehen, vergewisserte Neville sich, dass niemand mehr in der Nähe war, und kletterte den Baum hinunter.
Genau das war es! Er würde sich sogleich auf den Weg nach Durham begeben, um dem Erzbischof von seiner Beobachtung zu erzählen.
Ach, das ging ja nicht,
fiel ihm plötzlich ein. Der alte Zausel war erst kürzlich gestorben. Dann würde er es eben dem König erzählen, und zwar höchstpersönlich. Wenn William ihn dann fragte, was er als Belohnung wolle, würde er sagen: Alaida und Alnwick.
Alaida … Neville war ganz versunken in die Vorstellung, sie sich doch noch zu eigen zu machen, als plötzlich in der Nähe ein Zweig knackte. Mit einem Aufschrei rannte Neville davon und schlug sich durch das dichte Unterholz, um welchem Ungeheuer auch immer, das im Aln Wood lebte, zu entkommen. Er schwor sich, wenn er hier die Herrschaft hatte, würde er alles, was sich in diesem Wald bewegte, töten lassen und Tiere ansiedeln, die Tiere waren, die man kannte.
Doch zunächst wollte er nichts weiter als schleunigst fort von hier. Als er sein Pferd gefunden hatte, kehrte er zu seinem Lager zurück, sammelte hastig ein, was er in dem Licht fand, und ritt wie vom Teufel gejagt, bis er Alnwick weit hinter sich gelassen hatte. Dann suchte er sich im nächstbesten Cottage ein Quartier für die Nacht, um gleich am kommenden Morgen nach London zum König zu reiten.
Kapitel 26
O ffenbar hatte sie zu lange auf einem zu niedrigen Hocker gesessen, dachte Alaida, als sie ein Ziehen im Rücken verspürte. Sie stützte beide Hände in die Hüften und wollte aufstehen, doch bei ihrem Leibesumfang war das gar nicht so einfach.
»Könntest du mir bitte helfen, Thomas.« Sogleich sprang Tom auf und eilte zu ihr hinüber, um ihr hilfreich eine Hand zu reichen. »Nun zahlt es sich aus, dass Oswald dich so hart trainiert. Deine Kraft gleicht meinem Umfang.«
»Ihr seid nach wie vor schlank wie ein Schilfrohr.«
»Das hast du schön gesagt! Aber wenn du mich mit einem Schilfrohr vergleichst, möchte ich gar nicht wissen, an welch seltsamen Flussufern du entlanggewandert bist. Dieses Schilfrohr zumindest hat einen beträchtlichen …
ohhh.
« Wieder dieses Ziehen im Rücken, so stechend, dass es Alaida den Atem nahm
»Was wolltet Ihr sagen, My Lady?«
»… einen beträchtlichen …«, wollte Alaida fortfahren und unterbrach sich erneut. »O Gott!« Wasser lief ihr die Beine hinunter und sammelte sich zu ihren Füßen.
»Bôte, komm schnell! My Lady ist leckgeschlagen.«
Hastig drängten fünf Frauen den verblüfften Tom zur Seite und schoben Alaida zum Bett. Alle redeten durcheinander.
»Nicht aufs Bett«, sagte Alaida, die sich sicher war, dass die Schmerzen im Liegen nur noch schlimmer wurden. »Lieber auf meinen Stuhl.«
»Aber, My Lady, Ihr …«
»Auf den Stuhl«, wiederholte Alaida und zerrte die Frauen in die entsprechende Richtung. »Tom, warte! Weißt du, wo Lord Ivo heute auf die Jagd gegangen ist?«
»Nein, My Lady.«
»Dann frag Sir Ari. Vielleicht weiß er es. Ich möchte, dass Lord Ivo herkommt. Er muss herkommen.«
»Jawohl, My Lady. Ich werde auch Merewyn holen.«
»Die brauchen wir doch gar nicht«, murmelte Bôte unwillig, noch immer gekränkt. »Sie würde uns nur im Weg stehen.«
»Dann werdet ihr eben Platz machen«, ordnete Alaida an, die allmählich die Geduld verlor. »Lord Ivo hat eine klare Anweisung erteilt. Und ich stelle gerade fest, dass ich Merewyn ganz gern dabeihätte.«
Bôte schnaubte verächtlich. »Die ist auch keine bessere Hebamme als ich.«
»Nein, aber sie wird mich beruhigen. Dir ist doch sicher auch lieber, wenn ich ruhig bin?«
»Aye«, musste Bôte zugeben. »Na gut, geh sie holen, Tom. Und sag Geoffrey, er soll den Priester kommen lassen. Jetzt brauchen wir den Gebärstuhl und die Leinentücher, die ich bereitgelegt habe, außerdem eine Menge Wasser und Feuerholz. Und
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