Nachtkrieger
es auch nennen.« Hadwisa kicherte erneut, und als Bôte sah, dass Alaidas Wangen abermals glühten, sagte sie lachend: »Seht her. Wie wäre es mit diesen Haarbändern? Es wird Zeit für die Messe. Vater Theobald wartet sicher schon.«
Heilige Mutter Gottes,
dachte Alaida, während Bôte und Hadwisa ihr die Bänder ins Haar flochten.
Diese Messe. Und Vater Theobald. Und die ganze Zeit lächeln, als wäre alles in Ordnung. Heilige Mutter Gottes!
Sie hätte gar nicht erst aufstehen sollen.
»Der Steinhügel dort hinten markiert die Grenze, die in einer geraden Linie bis zu der Stelle verläuft, wo wir angefangen haben«, erläuterte Geoffrey. Er tippte mit einem Stab auf die aufgestapelten Steine und zeigte anschließend nach Süden und Osten. In dem Moment sah er aus dem Augenwinkel, dass sich über ihnen etwas bewegte. Verwundert richtete er den Blick gen Himmel. »Ich könnte schwören, dass der Adler dort oben uns gefolgt ist, seit wir durch das Tor geritten sind.«
Lächelnd sah Ari hinauf zu dem Adler, der über ihnen seine Kreise zog. »Seid Ihr sicher, dass es immer derselbe war?«
»Aye. Seht Euch einmal die gebogene Schwanzfeder an.«
Offenbar hatte Geoff sehr gute Augen. Ari selbst hatte Jahre gebraucht, um Ivar an der gekrümmten Feder zu erkennen. »Vielleicht möchte er sich ebenfalls die Grenzen der Domäne ansehen, damit er weiß, wie weit er fliegen darf.«
»Aber nur, solange er außerhalb dieser Grenzen jagt«, sagte Geoffrey. »Sollte er auf die Idee kommen, eines unserer Lämmer oder Hühner zu reißen, werden wir ihm mit Pfeil und Bogen zu Leibe rücken.«
Im nächsten Moment ging der Adler in den Sinkflug und streifte um Haaresbreite Geoffreys Kopf. Oswald, Geoffrey und Wat duckten sich. Ari hingegen blieb lachend stehen und nahm erfreut zur Kenntnis, dass Ivo auch aus hoher Höhe jedes Wort verstehen konnte. Raben hatten ein nicht ganz so feines Gehör.
»Sagt Euren Leuten, bevor sie vorhaben, einen Adler zu töten, sollten sie sich erst den Schild ihres neuen Herrn ansehen«, sagte Ari. Und schon dämmerte es seinen Begleitern, denn Ivos schwarzen Schild schmückte ein silberner Adler.
»Aber so ein Adler kann gehörigen Schaden anrichten,
Messire
«, sagte Wat.
»Den wird man Euch schon ersetzen«, antwortete Ari. »Und sollte es doch einmal nötig sein, einen Adler zu töten, wird Lord Ivo selbst einen Mann dazu bestimmen. Jetzt lasst uns aber sehen, wie gut mein Gedächtnis funktioniert.« Ari zählte sämtliche Marksteine auf, die sie berührt hatten. Als Geoff und Wat zustimmend nickten, sagte er: »Wir machen ein anderes Mal weiter. Ihr könnt zurückreiten. Sicher möchte Lady Alaida heute einen Blick in den Ehevertrag werfen. Ich werde noch eine Weile hierbleiben und mir das eine oder andere durch den Kopf gehen lassen. Später werde ich Lord Ivo und Sir Brand entgegenreiten.«
Oswald und Geoffrey machten sich auf den Weg, Wat hingegen zögerte. »Ich wollte wirklich nicht, dass sie meine Worte hört«, sagte er, sobald die beiden außer Hörweite waren. »Nicht für alles Gold der Christenheit würde ich My Lady verletzen wollen.«
»Dazu habe ich Euch bereits alles gesagt, Reeve. Und Lady Alaida ist Euch schon längst nicht mehr böse. Nun macht Euch auf den Weg!«
Wat öffnete den Mund, als wolle er noch etwas sagen. Doch dann er besann sich eines Besseren und setzte sein stämmiges Pony in Trab. Vielleicht hatte er seine Lektion ja bereits gelernt.
Ari wartete, bis auch Wat außer Sichtweite war. Dann ritt er hinüber zu dem Baum, auf dem der Adler sich niedergelassen hatte, und sah hinauf.
»Er hat die drei Flecken auf dem Bettlaken gesehen und sagte, du müsstest Eier aus Eisen haben und ein ebensolches Herz. Er war schon auf dem Weg die Treppe hinunter, aber sie hat es trotzdem gehört.« Ari war nicht sicher, wie viel Ivo als Adler mitbekam, aber er wusste, dass es einiges war.
Diesbezüglich konnte Ari selbst sich glücklich schätzen. Auch als Rabe war er stets im vollen Besitz seiner geistigen Kräfte – sei es aufgrund von Cwens Fluch oder weil der Rabe der heilige Bote Odins war. Seine Gefährten hingegen verloren einen Teil von sich an ihre Tiergestalt. Einige weniger, so wie Ivo, der immerhin genug von dem, was er mit den Augen des Adlers sah, erinnerte, um ihm bei seiner Spionage für den König zu helfen, andere mehr, so wie Brand, der jede Nacht voll und ganz zu einem Bären wurde, um oft erst am nächsten Morgen gewahr zu werden, welchen
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