Nachtkrieger
dafür, dass er sie nun dieser Demütigung aussetzte? »Ganz gleich, ob ich ihn wollte oder nicht, er ist jetzt mein Ehemann. Seine Abwesenheit bringt Schande über mich.«
»Aber nur, wenn Ihr es zulasst. Tretet erhobenen Hauptes vor die anderen. Zügelt Euer Temperament und zeigt allen, dass Ihr Euch keine Gedanken darüber macht, warum er Euch allein gelassen hat, und dass Ihr Euch sicher seid, dass er am Abend zu Euch zurückkehren wird. Und das wird er, darauf könnt Ihr Euch verlassen. Er scheint so voller Tatendrang, dass ich keine Zweifel daran habe, wie sehr er die Nacht mit Euch genossen hat.« Sie schlug das Unterkleid aus und reichte es ihr. »Ihr solltet das hier anziehen, es sei denn, Ihr wollt Euch den Männern vollkommen nackt präsentieren. Ich werde Euch das Haar zurückbinden, und später werden wir es auskämmen und Euch waschen.«
»Pah!«, rief Alaida. Doch dann stieg sie aus dem Bett und ließ sich von Bôte beim Anziehen helfen.
Die Männer schienen ebenso peinlich berührt wie Alaida selbst, als sie wenig später hereinschlurften. Keiner von ihnen wagte, ihr in die Augen zu sehen, bis auf den ungestümen jungen Seneschall und Steward ihres Gemahls. Und selbst er errötete, als Bôte die Felle und das Umschlagtuch zurückschlug.
»Verzeiht, My Lady«, sagte er. »Wir haben genug gesehen.« Sir Ari bedeutete den anderen mit einer Geste, den Raum zu verlassen. Er selbst jedoch blieb. »My Lady, ich …«
»Dreimal!«, übertönte Wats Stimme die Schritte der Männer, als sie die Treppe hinuntergingen. »Wie kann man eine solche Braut nur in aller Herrgottsfrühe allein lassen! Der Kerl muss Eier aus Eisen haben und ein ebensolches Herz.«
Wütend lief Ari zur Tür. »He, Blödmann! Dir werde ich das Maul stopfen!«
»Wartet, Seneschall!«, hielt Alaida Ari mit fester Stimme zurück. »Lasst ihn.«
»Aber er …«
Sie machte eine wegwerfende Geste und sagte: »Wäre ich tatsächlich des Morgens so übler Laune, wie meine Amme behauptet, so würde ich ihn Euch überlassen. Aber am Tag nach meiner Hochzeitsnacht liegt mir etwas Derartiges vollkommen fern. Ich werde Gnade walten lassen.«
Darüber hinaus hatte die Bemerkung des Gutsverwalters ja nicht ihr gegolten, sondern viel mehr ihrem Mann. Diesbezüglich musste sie Wat sogar beipflichten.
»Er hat lediglich ausgesprochen, was ohnehin alle denken. Nun sieh dir die Wangen des jungen Seneschalls an, Bôte. Na, habe ich recht?«
»Aye. Es sieht ganz danach aus«, erklärte Bôte kichernd mit einem Blick auf Ari, der mit glühenden Wangen und zerknirschter Miene dastand.
»Mag sein«, räumte er ein. »Aber dennoch, seid meines Bedauerns gewiss. In Anbetracht des gestrigen Abends hätte ich jemanden mit mehr Verstand als Zeugen wählen sollen.«
»Wat verfügt über reichlich Verstand, jedenfalls dann, wenn es darauf ankommt«, sagte Alaida und ging auf die Feuerstelle zu, um sich zu wärmen.
Um die Unterhaltung in andere Bahnen zu lenken und den freundlichen jungen Ritter, der schließlich nichts für das sonderbare Verhalten seines Herrn konnte, auf andere Gedanken zu bringen, erklärte sie: »Die Ernte war im vergangenen Herbst rechtzeitig eingefahren und das Korn ohne übermäßigen Verlust gedroschen worden. Sämtliche Stuten, die dafür vorgesehen waren, sind trächtig, und er ließ ausreichend Seile drehen – mehr als benötigt wurden sogar, so dass wir einen Teil davon gewinnbringend verkaufen konnten. Auch die Umwallung und Gräben befinden sich in besserem Zustand, seit er hier der Gutsverwalter ist. Die Dorfbewohner arbeiten gern für ihn, denn er weiß mit ihnen umzugehen. Aufgrund all dessen werde ich nachsichtig mit ihm sein, und das solltet Ihr ebenfalls, vorausgesetzt, Euch liegt etwas daran, diese Burg zu errichten.«
»Ich werde ihn dennoch darauf hinweisen, künftig seine Zunge zu hüten. Die Hochzeitsfeierlichkeiten sind vorbei, und er wird Respekt zeigen müssen.«
Sir Ari stellte sich vor das Fenster und sah hinaus auf das offene Gelände, das bis zur Brücke und zum Land des Guts jenseits des Flusses abfiel. Eine Weile betrachtete er die Landschaft, bevor er sich wieder Alaida zuwandte. »Ihr wisst eine Menge über die Arbeit auf Eurem Gut, My Lady.«
»Ich habe mich während der Abwesenheit meines Großvaters um Alnwick gekümmert, in der Überzeugung, ich täte es für ihn und nicht für einen Ehemann.«
Einen Dreckskerl von Ehemann!
»Jeder Eurer Ratschläge wird mir willkommen sein«, sagte Ari. »Es
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