Nachtkrieger
meine.«
»Möglicherweise musst du hier irgendwann während meiner Abwesenheit die Burg verteidigen. Von wo aus schiene es dir leichter?«
»Auf der Kuppe wäre sie leichter zu verteidigen. Aber sie wäre zu weit vom Dorf entfernt. Denn sollten die Schotten überraschend angreifen, hätten die Leute nicht genügend Zeit, in die Mauern zu flüchten. Darüber hinaus gibt es auf dem Hügel kein Wasser.«
»Ari hat vorgeschlagen, das Regenwasser in einer Zisterne aufzufangen.«
»Selbst in besonders regnerischen Jahren würde das für ein ganzes Dorf und ein Heer samt Pferden nicht reichen. Die Schotten bräuchten nur abzuwarten und sich aus unserem Brunnen zu bedienen, während wir verschrumpeln wie lange geerntete Äpfel.«
»Gibt es denn auf dem Hügel weder eine Quelle noch eine Wasserstelle?«
»Nicht, dass ich wüsste. Bôte sagte einmal, das Feuer des Drachen habe alles ausgetrocknet.«
Die alte Amme sah von ihrer Stickarbeit auf und lachte leise. »Ihr wart nicht einmal vier Jahre alt, als ich Euch das erzählte, My Lady. Wie könnt Ihr Euch heute noch daran erinnern?«
»Meine Frau ist wach und schnell, Amme. Das dürfte Euch eigentlich nicht neu sein.«
»Aye, M’Lord. Schnell darin zu lernen, in Zorn zu geraten, und – zu unser aller Glück – schnell darin zu verzeihen, es sei denn, sie will nicht. Dann kann sie stur und äußerst nachtragend sein.«
»Das ist mir auch bereits aufgefallen.« Abermals achtete Ivo nicht auf den missmutigen Blick seiner Frau und schlug mit seinem Pferd Brands Läufer. »Schachmatt.«
Aufgebracht sprang Alaida auf. Dann sah sie sich die Konstellation der Figuren noch einmal genau an. »Verzeiht,
Messire.
Ich glaube, dieses Mal war ich diejenige, die sich hat überrennen lassen. Ich hätte sehen müssen, wie sehr das Pferd Euren Läufer in Bedrängnis brachte.«
Brand brummte etwas Unverständliches, stieß seinen König um und griff nach seinem Bier. »Mir ist es ebenfalls entgangen. Vielleicht sollte ich lieber Mühle spielen.«
»Am besten mit mir«, sagte Alaida. »Offenbar ist Schach heute Abend nicht das Richtige für mich.«
»Du solltest nicht so schnell aufgeben, Frau«, sagte Ivo und stellte die Figuren erneut auf. »Nimm Brands Platz ein. Er kann mit Bôte Mühle spielen.«
»Lieber nicht,
Messire.
«
Ein Lächeln huschte über Ivos Gesicht, als er ihr die weißen Figuren zuwies. Mit unverhohlenem Ärger nahm Alaida Platz, nachdem Brand ihr mit verdrießlicher Miene den Stuhl zurechtrückte.
»Ihr könnt mich nicht zwingen, Schach zu spielen«, murmelte sie, als Brand sich zu Bôte gesellte.
»Wohl wahr. Hier nimm!«, sagte Ivo und reichte ihr den weißen Läufer, den er zuvor einkassiert hatte.
»Nun denn«, fuhr er fort, nachdem er den letzten Bauern aufgestellt hatte. »Du fängst an.«
Verbissen presste Alaida die Lippen aufeinander und zog den ersten Bauern. Ivo tat es ihr nach, so wie auch jeden weiteren Zug, ohne eine einzige ihrer Figuren zu schlagen, auch dann nicht, als Alaidas Dame vollkommen ungeschützt war.
Wütend, als sei das Ganze ein Affront, sah sie auf Ivos Dame, die nun ebenso ungeschützt war wie ihre. »Ihr könnt es besser, My Lord.«
»Beim Gekreuzigten! Das will ich doch hoffen.«
Alaida zog eine Augenbraue hoch und sah Ivo argwöhnisch an. »Was wollt Ihr damit bezwecken?«
»Das Spiel in die Länge ziehen.«
»Warum denn das?«
»Ich habe mich mit Wat versöhnt. Nun möchte ich mich auch mir dir versöhnen.«
»Ich werde mich nicht so einfach mit einer Handvoll Samen zufriedengeben«, gab Alaida zurück und wurde sich sogleich der Doppeldeutigkeit ihrer Worte bewusst. »Einer Handvoll Korn«, fügte sie hastig hinzu.
»Wat auch nicht«, sagte Ivo, ohne auf ihre zweideutigen Worte einzugehen – was ihm angesichts dessen, dass sie sogleich errötete, nicht leichtfiel. Während er die Schachfiguren wieder aufstellte, erklärte er: »Wir hatten beide unsere Grenzen überschritten. Wat hat mit einer aufgeplatzten Lippe dafür bezahlt. Und ich mit Saatgut und einem Lob in Gegenwart des Haushofmeisters, dem er unterstellt ist, und des Marschalls, mit dem er befreundet ist. Damit sind wir quitt – als Gutsherr und Gutsverwalter. Wir können uns das Vertrauen des anderen wieder verdienen.«
»Ich bezweifle, dass es so einfach ist, My Lord.«
»Das ist es. Und das muss es auch. Andernfalls würde jeder kleine Fehltritt alles ins Wanken bringen. Wat und ich, wir haben das verstanden. Er kann gut damit leben. Du
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