Nachtkrieger
sagte: Als sie noch ein Kind war, habe ich ihr die Geschichte erzählt, um sie von dem Brunnen fernzuhalten. Aber ich glaube auch selbst daran.«
»Dann weißt du vielleicht etwas über den Vertrag zwischen Grundherr und Dorfgemeinde?«
»Soweit ich weiß, hat Lord Gilbert ihn bestätigt, als er Lord von Alnwick wurde. Aber bezeugen kann ich es nicht.«
»Weil es einen solchen Vertrag nie gegeben hat«, sagte Geoffrey.
»Wie könnt Ihr Euch da so sicher sein, Steward?«, fragte Alaida. »Ihr selbst wart doch auch nicht zugegen. Dafür seid Ihr weder alt genug noch in Alnwick geboren. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ihr zu uns kamt.«
»Wohl wahr, My Lady. Aber im Lauf der Jahre habe ich mir sämtliche Aufzeichnungen angesehen. Ein Vertrag bezüglich des Brunnens wird nirgendwo erwähnt.«
»Vielleicht waren Eure Vorgänger weniger gewissenhaft als Ihr«, sagte Ivo und fragte an Wat gerichtet: »Wer sind die Ältesten im Dorf?«
»Céolsige. Er wohnt in der Nähe des Weidelands, My Lord, und Drogo der Blinde.«
»Bestellt die beiden morgen hierher, damit sie dem Seneschall erzählen, ob es mit Lord Gilbert ein Abkommen gegeben hat. Sie sollen auf das Evangelienbuch schwören. Sucht Euch zwei weitere Freie, damit es drei Zeugen gibt.« Mit strenger Miene wandte Ivo sich an Geoffrey. »Und dieses Mal wird alles sehr wohl aufgezeichnet, ganz gleich, was die Leute zu sagen haben.«
»Jawohl, My Lord«, sagten Geoffrey und Wat unisono.
»Anschließend werde ich mir das Ganze noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Die Entscheidung fällt mir nicht leicht, und ich möchte zunächst genau Bescheid wissen.« Ivo erhob sich, und die Männer standen ebenfalls auf. »Für heute Abend danke ich euch allen, dass ihr so offen gesprochen habt. Geoffrey, was pflegen wir einem
jongleur
für eine Abendunterhaltung zu zahlen?«
»Kost und Logis sowie zwei Denier, My Lord.«
»Sorgt dafür, dass der Reeve den Gegenwert dessen in Form von Saatgut erhält. Er hat heute Abend einen guten Spielmann abgegeben.«
»Aber das ist doch nicht nötig, My Lord«, sagte Wat.
»Ihr könnt es ruhig annehmen, Wat. Ihr habt mir wertvolle Informationen geliefert und gleichermaßen My Lady zum Lächeln gebracht. Das ist viel wert, ebenso wie ein tüchtiger Gutsverwalter.«
»Habt Dank, My Lord. Dann bin ich vielleicht doch nicht so einfältig«, sagte Wat mit einem so breiten Grinsen, dass seine Oberlippe sogleich wieder aufplatzte. Er tupfte sich mit dem Ärmel das Blut ab und folgte Geoffrey die Treppe hinunter – noch immer grinsend. Bevor sich die Tür hinter den Männern schloss, sah Ivo, dass Oswald Wat anerkennend auf die Schulter klopfte. Somit war ein Fehler schon einmal ausgebügelt.
Der andere erwartete ihn mit forschendem Blick. Vorerst gedachte Ivo jedoch, keine Notiz davon zu nehmen. »Wie wäre es mit einer Partie Schach, Brand?«
»Aber nur, wenn deine Lady mir dabei hilft. Ich beherrsche dieses Spiel nämlich noch nicht sonderlich gut.«
»Selbstverständlich,
Messire.
« Alaida erhob sich und gab Bôte und Hadwisa mit einer Geste zu verstehen, den Tisch herbeizurücken. »Oswald hat mir allerdings erzählt, Ihr hättet gestern Abend ohne Hilfe gewonnen.«
»Das war pures Glück, My Lady. Ich habe ganz aus Versehen seinen König umgerannt.«
»Dann lasst uns sehen, wen Ihr heute umrennen werdet«, sagte Alaida und stellte die Figuren auf. Ohne ihr dabei behilflich zu sein, sah Ivo zu und fühlte sich sogleich an jene unselige Nacht erinnert, sowohl im Guten als auch im Schlechten. Er starrte auf seine Schuhe, bis Alaida das Spiel aufgebaut hatte. Dann setzte er sich, während sie neben Brand Platz nahm.
Während der Partie brachte Ivo den Bau der Burg noch einmal zur Sprache. »Und Brand, welchen Standort würdest du bevorzugen?«
»Es scheint mir gegen alle Regeln der Kriegskunst zu sein, eine Burg am Fuß eines Hügels zu errichten«, sagte Brand.
»Aye.« Ivo griff nach dem Pferd, doch er besann sich und zog stattdessen den Turm, der direkt daneben stand. »Aber das Herrenhaus steht schon lange hier. Was meint denn My Lady dazu? Du hast dich noch gar nicht geäußert. Aber ich schätze, dein Interesse geht über feuerspeiende Drachen mit feurigen bernsteinfarbenen Augen hinaus.«
Der Versuch einer scherzhaften Bemerkung scheiterte kläglich. Alaida nickte Brand zu, als dieser einen Bauern kassierte, und sah Ivo mit gelangweiltem Blick an. »Es ist Eure Entscheidung,
Monseigneur,
nicht
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