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Nachtmahl im Paradies

Nachtmahl im Paradies

Titel: Nachtmahl im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bennett Ben
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zurückgezogen hatte.
    Früher, dachte er mit einem wehmütigen Seufzen, hatte das Leben etwas Heiliges. Das Meer, der Strand, jede Welle, jedes Sandkorn, das dort unten zu finden war, direkt hinter dem Paris . Die Musik des Windes, der in seinen verschiedenen Tonlagen durch ihr Haus wehte, der Geschmack von Meersalz auf ihren Lippen.
    Jacques gab sich einen Ruck. »Jetzt reiß dich mal zusammen«, befahl er sich selbst und stieg aus, nachdem er seine alte, elegante Dame direkt unterhalb des riesigen, benzinschluckenden Gauls geparkt hatte – in der inständigen Hoffnung, dass dieser nicht ausschlug.
    Auf dem Parkplatz standen noch zwei weitere Autos. Offensichtlich Touristen, die allen Ernstes annahmen, mit dem Paris einen Geheimtipp entdeckt zu haben – ein vergessenes Juwel aus einer vergessenen Zeit. Warum das Juwel vergessen war, sollten sie zu ihrem eigenen tiefen Bedauern leider erst während des Essens herausfinden. In der Regel handelte es sich bei diesen bemitleidenswerten Gästen um ältere, ortsunkundige Paare, die mit einem zehn oder fünfzehn Jahre alten Reiseführer oder Guide Michelin reisten, den sie irgendwo in einer Schublade oder auf dem Dachboden gefunden hatten.
    Das angeberisch aufgemotzte Polizeimotorrad von Alfons, dem Dorfpolizisten, konnte Jacques zu seiner Erleichterung nicht ausmachen. Er atmete auf. So weit, die Behörden zu informieren, war die verrückte Ausländerin also nicht gegangen. Alfons hatte Jacques ohnehin auf dem Kieker, daher versuchte er, sich stets möglichst unauffällig zu verhalten. Der flic konnte es auf den Tod nicht ausstehen, dass Jacques seinen Gästen seit einiger Zeit nur günstige Supermarktweine zu einem idealen Preis-Leistungs-Verhältnis vorsetzte und sich selbst mit dem teuren, verbliebenen Kellerbestand vergnügte. Sich selbst gönnte er all die wunderbaren, lang gehegten und gepflegten Château Pétrus und Kollegen, die Ewigkeiten auf sein fachmännisches Urteil hatten warten müssen und deren Zeit nun endlich gekommen war. Alfons’ offizielle Begründung war natürlich eine andere: Er könne es auf den Tod nicht ausstehen, dass Jacques diese Weine trank und sich danach noch ans Steuer setzte. Doch Jacques glaubte ihm kein Wort. Nein, Alfons war neidisch, darum ging es. Neidisch, dass er selbst keinen Château Pétrus im Keller hatte, sondern nur ein- bis zweimal im Jahr das Hochwasser.
    Als Jacques das Restaurant durch den Haupteingang betrat – erhobenen Hauptes, wie es sich für den Noch-Inhaber und Restaurantchef gehörte –, lief der Betrieb auf Sparflamme. Unauffällig ließ er den Blick durch den Saal und über die Terrasse schweifen. Keine Spur von … dieser Person .
    Innerlich atmete er auf. Wie es aussah, hatte sie ihren Fünfhundert-PS-Traktor nur auf dem Restaurantparkplatz abgestellt, um von dort aus eine Wanderung oder einen ausgedehnten Strandspaziergang zu unternehmen. Obwohl Jacques schon vor Jahren Schilder mit dem Hinweis montiert hatte, dass es strengstens verboten sei, den Parkplatz zu nutzen, ohne im Paris zu speisen oder wenigstens einen Kaffee zu trinken, kam es immer wieder vor. Die Franzosen waren im Grunde ihrer Herzen Anarchisten – unfähig, sich an irgendwelche Regeln zu halten. Dass diese Lebenserkenntnis offensichtlich auch auf die Bewohner anderer Länder zutraf, erschien Jacques in diesem Moment als glücklicher Zufall.
    Nicht, dass er wirklich an den Business Angel glaubte, den Gustave in letzter Sekunde vor der Zwangsversteigerung noch aus dem Hut zaubern wollte – er war sogar strikt gegen jede neue Person, die in sein Geschäftsleben trat. Für den unwahrscheinlichen Fall jedoch, dass es sich tatsächlich um einen echten Gentleman handeln sollte, mit dem man ein offenes Wort reden konnte, erschien es ihm mehr als sinnvoll, den rabiaten Jockey von Black Beauty nicht in unmittelbarer Nähe zu wissen. Bei einem vielleicht überlebenswichtigen Geschäftstermin konnte er keine auf Krawall gebürstete Touristin gebrauchen, die ihn möglicherweise in seinem eigenen Restaurant vor Gustave, seinem potenziellen Geldgeber und den anwesenden Gästen beschimpfte. Am Ende wies sie ihm noch die Schuld an dem merkwürdigen Unfall zu.
    Wohltuende Stille beherrschte den Raum, untermalt von den gedämpften Gesprächen der ersten Restaurantbesucher. Patrice und Gustave würden es als Grabesruhe bezeichnen, aber seit Elli nicht mehr da war, vertrug Jacques Musik nicht mehr so gut, vor allem romantische Musik. Zwei Tische waren

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