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Nachtmahl im Paradies

Nachtmahl im Paradies

Titel: Nachtmahl im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bennett Ben
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frühen Stadium beurteilen konnte, schien sie darüber hinaus etwas zu besitzen, das vielen, insbesondere jüngeren Frauen irgendwo auf der Karriereleiter, dem Laufsteg oder auch nur bei ihrem wöchentlichen Einkaufsbummel bei Louis Vuitton und Konsorten abhandengekommen war: ein Herz.
    Aber vielleicht täuschte er sich auch, schließlich steckte man nicht drin in einem anderen Menschen, auch wenn er Gustave vorhin in der gebotenen Kürze etwas anderes hatte glauben machen wollen. Gegen Ende des Abends hatten sie zusammen noch ein paar Calvados gekippt – an der Bar der kleinen Landpension, wo er Catherine abgesetzt hatte. Das Letzte, woran er sich erinnerte, war, dass sie sich angeregt über französische Lyrik unterhalten hatten. Dabei war es insbesondere um Charles Baudelaire und sein berühmtes Werk Les Fleurs du Mal gegangen, aus dem er leicht beschwipst zitiert hatte. »Ich will die entschwundenen nackten Zeiten loben, wo Phoebus die Säulen mit goldenem Schimmer umwoben, als Mann und Weib, genießend in leichtem Zug, noch lebten ohne Bedrängnis und ohne Betrug.«
    Anschließend hatte Catherine sich für einen amerikanischen Dichter in die Bresche geworfen und behauptet, dass er nicht weniger gut sei als Baudelaire, wenn auch vollkommen anders. Die ersten Zeilen eines seiner Gedichte hatte sie eigens für Jacques in ihr wunderbares Französisch übersetzt – und trotzdem hatte er kein Wort verstanden. Dennoch behauptete sie steif und fest, das Gedicht sei ihm auf den Leib geschrieben.
    Ja, sie hatte ihn einige Male überrascht an diesem Abend. Auf jede seiner Fragen hatte sie eine passende Antwort parat gehabt – außer zu jenen, die ihr Privatleben betrafen. Dazu hatte sie vielsagend geschwiegen oder ihrerseits wie der Blitz eine Gegenauskunft eingefordert. Das Einzige, was er aus ihr herausbekommen hatte, war, dass sie viele Jahre als Anwältin in einer namhaften New Yorker Kanzlei gearbeitet hatte, bis sie sich eines Tages in ein kleines französisches Restaurant verirrt und sich offenbar nicht nur in das Essen, sondern auch in den zugehörigen Koch verliebt hatte. Daraus war dann eine klassische amerikanische Erfolgsstory geworden, und vor nicht allzu langer Zeit war das Restaurant an einen neuen Inhaber gegangen.
    So machte man das in Amerika wohl: kaufen, aufpäppeln und mit Gewinn wieder verkaufen. In New York war jeder ein Broker und spekulierte mit allem, was er besaß oder zu besitzen glaubte. Eine Philosophie, die sich von der seinen deutlich unterschied. Jacques hing an allem, was er sich mit Herz, Hingabe, Mut und hochgekrempelten Ärmeln aufgebaut hatte. An den Dingen, die er sich im täglichen Kampf gegen die Widrigkeiten des Seins erobert hatte – und mehr noch an den Menschen, die dazugehörten. Loszulassen fiel ihm unendlich schwer. In manchen Fällen war es ihm sogar unmöglich. Obwohl es eine Menge kluger Bücher gab, die genau das behaupteten: Man müsse nur loslassen, und das Glück kehre wie von Geisterhand geführt zu einem zurück. Offenbar waren die Amerikaner besser im Loslassen. Jacques vermutete, dass Catherine, die nicht ein einziges Wort über ihren Mann – den französischen Koch in New York – verloren hatte, in Trennung von ihm lebte und dass die beiden deshalb das Restaurant verkauft hatten. Um einen klaren Schnitt zu machen. Doch das war nicht sein Problem.
    »Haben wir eine Deal?«, hatte Catherine ihn gefragt, als der Abend auf sein Ende zulief.
    Jacques hatte ihre ausgestreckte Hand ergriffen und eingeschlagen. Schon lange nicht mehr hatte er die Hand einer Frau in seiner gespürt. Sie fühlte sich weich und seidig an. Es tat fast ein bisschen weh, so wie ein schwacher Stromschlag.
    »Ein Mitspracherecht, was die Ausrichtung der Küche und des Restaurants betrifft, kann ich Ihnen selbstverständlich nicht einräumen«, erwähnte er bei der Gelegenheit noch schnell das Kleingedruckte – der Ordnung halber.
    Catherine stutzte und entzog ihm ihre Hand ruckartig.
    »Aber … dann ist es keine Partnerschaft«, erwiderte sie. In ihre Stimme hatte sich ein trotziger Unterton geschlichen, und ihre eben noch makellose, scheinbar aus Porzellan gegossene Stirn hatte sich in tiefe Falten gelegt.
    »Im Gegenteil«, widersprach Jacques. »Es ist sogar besser als das! Wir teilen uns die Einnahmen, aber ich mache die ganze Arbeit.«
    Ihr Blick verhieß nichts Gutes. Die eben noch angenehme Stimmung drohte zu kippen und unversehens in ein aus heiterem Himmel aufgezogenes

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